Afrika Saga 02 - Feuerwind
Strecke durch den Busch zu schlagen, ohne Gewehr und Sonnenhut. Abgesehen davon, dass es gefährlich ist, zerreißt man sich die Kleidung, dass man sie hinterher kaum noch als Scheuertuch benutzen kann. Aber mir blieb ja nichts anderes übrig.
Ich rappelte mich also hoch und schaute mich um, konnte aber zuerst nicht entdecken, wovor Umoya gescheut hatte.«
Ihre Zuhörer waren mucksmäuschenstill, als sie einen Schluck von Elise Mellinghoffs exzellentem Kaffee nahm. »Doch dann habe ich es gehört. Ein Fauchen, und ich dachte schon, es treibt sich eine Katze herum — manchmal reißen die Katzen aus, die sich die Zulus halten, um Schlangen und böse Geister von ihren Umuzis, ihren Höfen, zu bannen, und streunen in den Busch. Aber das war keine Katze …«
»… sondern eine Schlange, nicht wahr?«, hauchte Luise. »Eine Mamba. Die gefährlichste Schlange der Welt. Mir wird schon schlecht, wenn ich das nur höre. Hätte ich ihr gegenübergestanden, wäre ich auf der Stelle tot umgefallen.«
Maria nickte. »Eine Schwarze Mamba. Sie war fast armdick und tanzte nur ein paar Fuß von mir entfernt auf ihrem Schwanz. Sie war so lang, dass sie mir fast bis zur Brust reichte, aber das Schlimmste war, dass sie lächelte. Ich schwör's euch, sie lächelte mich an. Mir stockte das Herz, das könnt ihr mir glauben. Ein Biss dieser Schlange ist absolut tödlich, immer, und der Tod durch ihr Gift ist so schrecklich, dass ich nicht riskieren würde, ihn euch zu beschreiben.
Ich stand wie angenagelt, wagte kaum zu atmen«, flüsterte sie. »Sie war mir zu nahe, als dass ich hätte wegrennen können, und es gab nichts, keinen Stein oder Knüppel, womit ich mich wehren konnte. In diesem Moment riss das Reptil sein Maul mit dem schwarzen Rachen auf — deswegen heißt sie übrigens Schwarze Mamba - und fauchte wieder. Ich machte einen erschrockenen Schritt rückwärts, stolperte über einen Stein, fiel rücklings hin, und die Schlange schoss auf mich zu.«
»O mein Gott«, wimmerte Luise und presste die Faust an die Zähne.
»Was dann geschah«, flüsterte Maria, um die Spannung zu erhöhen, »war unglaublich. Schon dachte ich, meine letzten Minuten wären angebrochen, als ein riesiger Vogel vom Himmel herunterschwebte, ein Vogel mit weißen Schwingen und einer Federkrone, sodass ich glaubte, ein Engel käme, um mich zu retten.
Aber dann erkannte ich, dass es sich um einen Sekretärvogel handelte. Er stolzierte schnurstracks auf die Mamba zu und hackte mit seinem scharfen Schnabel auf sie ein, immer wieder, bis das Reptil tot war. Dann verschlang er es. Ich saß die ganze Zeit im Staub und konnte keinen Muskel rühren. Als die Schwanzspitze des Biests in seinem Schnabel verschwunden war, öffnete der Sekretär seine Flügel, erhob sich in die Luft und flog in die Sonne.« Sie holte tief Luft.
»Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob es nicht doch ein Engel war …«
Noch ganz in ihren Erinnerungen gefangen trat sie an das mit Fliegendreck verschmierte Fenster des Wachraums, lockerte den steifen Kragen der knappen Studentenjacke. Morgen sollte dieses einmalige Ereignis, der Empfang, stattfinden, und ganz Rostock summte wie ein Bienenschwarm vor lauter Aufregung, denn das Kronprinzenpaar weilte bereits in der Stadt. Sie spähte hinaus. Auf der Kröpeliner Straße drängte sich eine Menschenmenge auf dem Bürgersteig, in der vordersten Reihe eine auffällige Anzahl sehr gut gekleideter Bürger. Alle schienen auf etwas zu warten.
Offenbar waren die Kaiserlichen Hoheiten im Anmarsch.
»Hier wird nicht herumgewandert, Frollein, setze es sich wieder hin«, raunzte der Wachtmeister.
Maria fuhr herum. »Was wollen Sie eigentlich von mir?«, fragte sie schnippisch.
»Frolleinchen, nun sei es still, während ich das Protokoll aufsetze«, befahl der Wachtmeister, tunkte seinen Federhalter ins Tintenfass und rückte die Brille zurecht. »Wie ist der Name, wo wohnhaft, wo geboren?«
Seine Feder kratzte über das Papier, während er ihren Namen aufschrieb. »Wo geboren?«, blaffte er dann.
»Inqaba«, antwortete Maria mit einem wunderschönen Klick in der Mitte des Zuluworts. »Auf Inqaba in Zululand.«
Der Polizist sah sie unter wild gesträubten Brauen an. »Wenn Frolleinchen sich lustig machen will, kann ich auch ganz andere Saiten aufziehen. Ohnehin wird sie die volle Härte des Gesetzes treffen. Unser Richter ist sehr streng. Also, wo geboren?« Die Feder schwebte erwartungsvoll über dem Protokollbuch.
Maria lächelte süß.
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