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Afterdark

Afterdark

Titel: Afterdark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Bewegungen ist überflüssig. Für ihn existieren jetzt nur die erlesene Musik des 18. Jahrhunderts, er selbst und seine technischen Probleme.
    Lediglich ein Schmerz auf seinem rechten Handrücken scheint ihn hin und wieder zu beeinträchtigen. Dann unterbricht er seine Arbeit, öffnet und schließt mehrmals die Hand, dreht das Gelenk und massiert den Handrücken mit seiner linken. Kurz pausiert er und blickt auf die Uhr. Ganz leicht runzelt er die Stirn. Wegen seiner schmerzenden rechten Hand braucht er ein wenig länger für seine Arbeit als sonst.
    Seine Garderobe ist sauber und adrett. Sie ist weder sehr originell noch elegant, aber auf seine Art achtet er auf seine Kleidung. Er hat auch keinen schlechten Geschmack. Hemd und Krawatte sehen teuer aus, wahrscheinlich sind es Markenartikel. Sein Gesicht wirkt intelligent, wahrscheinlich ist er gut erzogen. Die Uhr an seinem linken Handgelenk hat eine schmale Form. Er trägt eine Brille von Armani. Die Finger seiner großen Hände sind lang, die Nägel gepflegt. Am Ringfinger steckt ein schmaler Ehering. Seine Züge sind nicht markant, doch im Detail verraten sie einen starken Willen. Vermutlich ist er noch nicht ganz vierzig, zumindest sind die Konturen seines Gesichts noch nicht erschlafft. Seine äußere Erscheinung macht den Eindruck eines gut aufgeräumten Zimmers. Er sieht nicht aus wie ein Mann, der sich eine chinesische Prostituierte in ein Love Hotel bestellt. Schon gar nicht wie ein Typ, der sie niederschlagen und ihr die Kleider wegnehmen würde. Dennoch hat er es tatsächlich getan, er konnte einfach nicht anders.
    Das Telefon läutet, aber er hebt nicht ab, sondern arbeitet, ohne die Miene zu verziehen, im gleichen Tempo weiter. Vorsichtshalber lässt er es läuten. Er sieht nicht einmal hin. Nach viermaligem Läuten schaltet sich der Anrufbeantworter ein.
    »Sie sind mit dem Schreibtisch von Shirokawa verbunden. Leider ist der Anschluss im Augenblick nicht besetzt. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signal.«
    Signalton.
    Eine leise, sehr müde Frauenstimme meldet sich. »Hallo, ich bin's. Nimm bitte ab, wenn du da bist.«
    Den Blick weiter auf den Bildschirm gerichtet, hält Shirokawa mit der Fernbedienung die Musik an und drückt auf Telefonempfang. Der Apparat ist so eingerichtet, dass man sprechen kann, ohne das Telefon in die Hand zu nehmen.
    »Ich bin hier«, sagt Shirokawa.
    »Als ich vorhin angerufen habe, warst du nicht da. Deswegen dachte ich, du kämst heute vielleicht früher nach Hause«, sagt die Frau.
    »Um wie viel Uhr war das denn?«
    »Kurz nach elf. Ich habe auch eine Nachricht hinterlassen.« Shirokawa schaut auf den Apparat. Die rote Lampe des Anrufbeantworters blinkt.
    »Tut mir leid. Ich habe gar nicht darauf geachtet, weil ich so konzentriert gearbeitet habe«, sagt Shirokawa. »Kurz nach elf war ich mal draußen, um was zu Abend zu essen. Dann habe ich bei >Starbucks< noch einen Latte Macchiato getrunken. Bist du die ganze Zeit wach geblieben?«
    Auch während er spricht, tippt Shirokawa beidhändig weiter.
    »Gegen halb zwölf bin ich eingeschlafen, aber eben bin ich aus einem unangenehmen Traum aufgewacht, und du warst noch nicht zu Hause ... Was gab's denn heute Abend?«
    Shirokawa versteht die Frage nicht. Er hört auf zu tippen und sieht das Telefon an. Die Falten in seinen Augenwinkeln vertiefen sich für einen Augenblick. »Was es gab?«
    »Was du zu Abend gegessen hast, meine ich.«
    »Ach so, etwas Chinesisches. Immer dasselbe, aber es macht satt.«
    »Hat es nicht geschmeckt?«
    »Nein, nicht besonders.«
    Er richtet den Blick wieder auf den Computer und beginnt auf den Rechner einzuhämmern.
    »Und die Arbeit?«
    »Die Lage ist ziemlich kompliziert. Der Ball ist ganz schön im Rough gelandet. Wenn das nicht jemand bis morgen früh in Ordnung bringt, kann den Vormittag über keine Internet-Konferenz stattfinden.«
    »Und dieser Jemand bist natürlich wieder mal du.«
    »Genau«, sagt Shirokawa. »Wenn ich mich so umschaue, ist auch kein anderer da.«
    »Schaffst du es bis zum Morgen?«
    »Natürlich. Ich bin doch ein Spitzenprofi. Ein schrecklicher Tag, aber ich kann Punkte sammeln. Und wenn die Internet Konferenz morgen nicht stattfinden kann, fällt vielleicht unser Vorhaben, Microsoft aufzukaufen, ins Wasser.«
    »Microsoft aufzukaufen?«
    »Das war nur ein Witz«, sagt Shirokawa. »Ich glaube, es dauert noch ungefähr eine Stunde. Dann rufe ich mir ein Taxi und bin dann so gegen halb fünf zu

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