Afterdark
Red-Socks-Kappe?« fragt Takahashi.
»Weil ich sie von jemandem bekommen habe«, sagt Mari. »Also bist du kein Fan von den Red Socks, oder?«
»Ich habe von Baseball keine Ahnung.«
»Ich interessiere mich auch nicht so dafür. Fußball finde ich besser«, sagt Takahashi. »Aber noch mal zu dem, was du vorhin über deine Schwester gesagt hast.«
Hm.«
»Ich habe das nicht richtig verstanden. Heißt das letztlich, dass Eri gar nicht aufwacht?«, fragt Takahashi.
Mari schaut zu ihm auf. »Tut mir leid, aber ich möchte im Gehen nicht darüber reden. Es ist ein bisschen kompliziert.«
»Verstehe.«
»Reden wir über was anderes.«
»Über was denn?«
»Egal, irgendwas. Über dich.«
»Über mich?«
»Ja, reden wir über dich.«
Takahashi überlegt einen Moment.
»Da fällt mir kein heiteres Thema ein.«
»Macht nichts, dann eben ein düsteres.«
»Meine Mutter ist gestorben, als ich sieben war«, sagt er. »An Brustkrebs. Er wurde so spät entdeckt, dass es danach nur noch drei Monate bis zu ihrem Tod waren. Es kam ganz plötzlich, und der Krebs schritt so schnell voran, dass keine Zeit mehr für eine effektive Behandlung blieb. Die ganze Zeit vorher und nachher war mein Vater im Gefängnis. Das habe ich dir ja vorhin schon erzählt.«
Mari sieht wieder zu Takahashi auf.
»Als du sieben warst, ist deine Mutter an Brustkrebs gestorben, und dein Vater war währenddessen im Gefängnis?«
»Ja, so war's«, sagt Takahashi.
»Dann warst du ja ganz allein?«
»Genau. Mein Vater wurde wegen Betrugs verhaftet und für zwei Jahre verknackt. Anscheinend hatte er ein Schneeballsystem oder so was Kompliziertes laufen. Der finanzielle Schaden war verhältnismäßig hoch, und weil er in seiner Jugend in einer Organisation der Studentenbewegung gewesen und mehrmals verhaftet worden war, bekam er keine Bewährungsstrafe. Er wurde sogar verdächtigt, Kapital für die Organisation anzuhäufen. In Wirklichkeit gab es da aber keine Verbindung. Ich weiß noch, wie meine Mutter und ich ihn im Gefängnis besuchen gingen. Es war sehr kalt dort. Nachdem mein Vater ungefähr ein halbes Jahr gesessen hatte, wurde bei meiner Mutter Brustkrebs festgestellt, und sie kam sofort ins Krankenhaus. Mit einem Wort, ich war auf einmal Waise. Mein Vater im Gefängnis, meine Mutter im Krankenhaus.«
»Hat sich in dieser Zeit jemand um dich gekümmert?«
»Ich habe später gehört, dass das Geld für das Krankenhaus und meinen Lebensunterhalt von der Familie meines Vaters kam. Mein Vater hat sich ganz schlecht mit seinen Eltern verstanden, und sie hatten lange keinen Kontakt, aber sie konnten ja nicht einfach zusehen, wie ein siebenjähriges Kind verhungert. Eine Tante kam unwillig jeden zweiten Tag. Die Nachbarinnen wechselten sich mit Wäschewaschen, Einkaufen und Kochen ab. Wahrscheinlich war es mein Glück, dass wir damals in der Altstadt wohnten, weil sie da noch so was wie eine Nachbarschaft haben. Trotzdem ist mir, als hätte ich das meiste allein gemacht - mir einfache Gerichte gekocht, mich fertig gemacht und zur Schule gegangen ... Allerdings erinnere ich mich nur noch dunkel an diese Zeit. Sie kommt mir fast vor wie etwas, das anderen Leuten passiert ist.«
»Wann ist dein Vater denn zurückgekommen?«
»Etwa drei Monate nach dem Tod meiner Mutter. Aufgrund der besonderen Umstände kam er auf Bewährung frei. Natürlich war ich froh, als mein Vater nach Hause kam. Weil ich nun keine Waise mehr war. Zumindest war er ein starker Erwachsener. Ich war erleichtert. Damals trug mein Vater ein altes Tweedjackett, und ich kann mich noch immer gut an den rauen, derben Stoff und seinen Geruch erinnern. Es war durchtränkt von Zigarettenrauch.«
Takahashi nimmt die Hände aus den Taschen und reibt sich den Nacken.
»Aber trotz der Rückkehr meines Vaters fühlte ich mich nicht sicher. Ich kann es nicht gut ausdrücken, aber in meinem Inneren fügten sich die Dinge nicht richtig zusammen. Ich fragte mich ständig, ob ich nicht total reingelegt würde. Im Grunde so, als ob mein richtiger Vater für immer verschwunden und mir ein anderer in seiner Gestalt geschickt worden wäre, um einen Zusammenhang herzustellen. Verstehst du?«
»So ungefähr«, sagt Mari.
Takahashi schweigt einen Moment, ehe er fortfährt.
»Zumindest hatte ich damals das Gefühl, was auch geschehen sein mochte, mein Vater hätte mich auf keinen Fall allein lassen dürfen. Er hätte mich nicht als Waise in dieser Welt zurücklassen sollen. Niemals hätte er ins
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