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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Lüge wird sich finden lassen. Er wird erst seit achtzehn Stunden vermisst. Seine Militärakte ist makellos. Und er ist zum ersten Mal im Ausland. Außerdem ist Ihr Vater Minister. Niemand ist auf eine peinliche Situation oder auf einen Skandal aus; die Sowjets würden die Sache genauso gerne vertuschen wie ihn schnappen. Sie müssen mir helfen. Wo ist er?
    Ara war bereit zu lügen, aber gleichzeitig versucht, das Angebot anzunehmen. Leo trat näher, um ihr zu signalisieren, dass er ihr keine Falle stellen wollte.
    – Wir haben nicht viel Zeit. Wenn Sie mich anlügen, und die anderen finden ihn, bekommen Sie so ein Angebot vielleicht nicht noch einmal. Und sie werden Sie finden, innerhalb von wenigen Stunden. Wir sind nicht die Einzigen, die nach ihm suchen.
    Ara sah erst Leo an, dann Nara, um die Lage einzuschätzen.
    – Ich weiß nicht, wovon Sie reden.
    Ihre Stimme war schwach, sie brachte den Satz kaum zu Ende, die Wörter zerfielen. Leo seufzte:
    – Soll ich das Militär für eine Hausdurchsuchung rufen? Die Soldaten wären in ein paar Minuten hier. Sie würden die Wände einreißen und jedes Möbelstück zerschlagen.
    Bei dieser Aussicht gab Ara die Fassade auf und ließ den Kopf hängen. Sie ging zur Tür, dann wandte sie sich zu Leo um und flehte:
    – Versprechen Sie, dass Sie uns helfen?
    – Ich verspreche es.
    Sie suchte in seinem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass er ein guter Mensch war. Es war schwer zu sagen, zu welchem Schluss sie kam. Wahrscheinlich akzeptierte sie einfach, dass ihr keine andere Wahl blieb. Sie führte Leo und Nara nach unten, schloss eine Tür auf und brachte sie zu einem Keller.
    Der Raum mit der niedrigen, gewölbten Decke diente als Vorratslager, für das man die natürliche Kühle nutzte. Ara zündete eine Kerze an und enthüllte damit Fjodor Masurow in einer Ecke, der fassungslos wirkte, als er Ara mit zwei Agenten der Geheimpolizei sah. Leo sagte auf Russisch:
    – Bleiben Sie ruhig. Ich kann Ihnen helfen. Aber Sie müssen tun, was ich Ihnen sage.
    Masurow antwortete nicht. Leo bemerkte, dass der Mann die Fäuste geballt hatte. Beinahe sicher trug er eine Waffe bei sich. Dieser Mann war bereit, für die Frau, die er liebte, zu sterben. Nicht als Spott, sondern aus echter Neugier fragte Leo:
    – Was hatten Sie überhaupt vor? Wollten Sie zusammen durchbrennen?
    Ara ergriff die Hand ihres Geliebten, ein kühner Ausdruck von Zärtlichkeit für eine afghanische Frau. Nara reagierte merklich auf die Geste. Masurow antwortete:
    – Wir wollten uns nach Pakistan durchschlagen.
    Er klang unsicher. Ein solches Unterfangen war töricht. Sie hätten nicht nur sowjetische Kontrollpunkte überwinden müssen, sondern auch die Hochburg der Aufständischen an der Grenze. Aber gegen riskante Pläne durfte Leo wirklich nichts sagen. Er merkte, dass sein starkes Mitgefühl mit dem Paar über Verständnis und Mitleid hinausging – er wollte sie begleiten. Ihre Pläne erinnerten ihn an seinen eigenen Versuch, nach New York zu gelangen, sie waren im gleichen Maße tapfer wie dumm. Er fragte:
    – Und in Pakistan wolltet ihr glücklich werden?
    Fjodor wollte schon widersprechen, aber dann hielt er sich zurück und schluckte die Antwort hinunter. Leo erriet ihr eigentliches Ziel.
    – Ihr wolltet Asyl beantragen? Bei wem? Bei den Amerikanern? Die sollten euch beschützen?
    Dieses Detail würde seine sichere Hinrichtung bedeuten. Damit Leo etwas aushandeln und Fjodor das Leben retten konnte, durfte dieser Teil des Plans auf keinen Fall bekannt werden. Sie würden die achtzehnstündige Abwesenheit als eine vorübergehende Vertrauenskrise darstellen müssen, als ein nächtliches Sexabenteuer. So sehr, wie sich seine militärischen Vorgesetzten für die Einrichtung von Bordellen interessierten, konnte er mit dieser Entschuldigung sogar auf Verständnis hoffen.
    Alle warteten darauf, dass Leo etwas sagte und entschied, wie sie vorgehen sollten.
    – Zuerst müssen Sie mir versprechen, dass Sie alles tun, was ich sage. Pakistan müssen Sie vergessen. Der Plan ist sowieso Irrsinn. Wenn die Sowjets Sie nicht töten, tun es die Mudschaheddin. Als Nächstes kehren Sie auf Ihren Posten zurück und geloben der Armee Treue. Versprechen Sie glaubhaft, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt.
    Bei den Einzelheiten zu seinem improvisierten Plan wurden sie durch Lärm von oben gestört. Jemand war an der Tür. Als Leo eine Stimme hörte, blickte er die Treppe hinauf, dann fragte er

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