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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Ara:
    – Ihr Vater?
    Ara schüttelte den Kopf. Schritte erklangen, dann betraten plötzlich mehrere sowjetische Soldaten den Keller. Masurow griff nach seiner Pistole. Die Sowjets legten an, auf ihn und gleichzeitig auf Ara. Gefangen und umstellt warf der junge Offizier seine Pistole auf den Boden und hob die Hände über den Kopf.
    Ara sah Leo an und warf ihm hasserfüllt vor:
    – Sie haben es versprochen!
    Leo begriff nicht, woher die Soldaten gekommen waren. Er hatte nichts über seine Pläne gesagt, er hatte niemandem erzählt, wohin sie fuhren.
    Langsam wandte sich Leo zu Nara um. Sie stand direkt hinter ihm, mit den Händen hinter dem Rücken. Als Leo sie anstarrte, sagte sie:
    – Der Hauptmann hat mich gebeten, ihn auf dem Laufenden zu halten.
    Leo hatte einen Anfängerfehler begangen. Er hatte geglaubt, Nara wäre ihm zugeteilt worden, um zu lernen. Dabei war sie ihm als Spionin zugeteilt. Bei Leos Vergangenheit war es nur logisch, dass der Hauptmann zu einer solchen Vorsichtsmaßname griff, wenn es um einen Deserteur ging.
    Fjodor Masurow wurde mit vorgehaltener Waffe abgeführt. Ara sah zu, blieb aber stumm, weil sie spürte, dass jedes Anzeichen von Zuneigung die Soldaten provozieren konnte. Sie wurde nicht verhaftet, das wäre eine Schande für den Minister gewesen. Ihre Strafe würde ihr Vater verhängen und ausführen. Wenn sie klug war, würde sie abstreiten, dass sie ihn liebte, ihm allein die Schuld geben und behaupten, er wäre von ihr besessen. Aber sie war verliebt, und Leo glaubte nicht, dass sie das abstreiten würde, obwohl sie sich damit viel Elend und Schande einhandelte.
    Als Letzter im Keller sagte Leo zu seiner Schülerin Nara Mir:
    – Sie haben das Zeug zu einer hervorragenden Agentin.
    Sie nahm die Bemerkung für bare Münze, ohne den tieferen Sinn zu verstehen. Sie lächelte.
    – Danke.

Provinz Kabul
Kabul
Murad-Khane-Viertel
Am selben Tag
    Weil im ganzen Stadtteil der Strom ausgefallen war, musste Nara ihr Abendgebet beim Schein einer verrußten Öllampe beenden. In Gedanken war sie bei Offizier Fjodor Masurow und seiner Geliebten Ara, die Nara vor diesem Vorfall als fortschrittliche Frau bewundert hatte. Die gebildete, intelligente und berufstätige Tochter des Ministers war für die junge Agentin ein Vorbild gewesen. Obwohl Nara nur ihre Pflicht getan hatte, fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, Hauptmann Waschtschenko von Ara als ihrer Hauptverdächtigen zu erzählen. Hätte sie es verschwiegen, hätte Leo die beiden vielleicht retten können. Aber an der misslichen Lage des Paares war nicht Nara schuld. Sie hatte nur berichtet, was die beiden getan hatten. Die Verantwortung mussten sie selbst tragen. Nara bekam Zweifel, ihre Überlegungen konnten sie selbst nicht überzeugen. Ara würde Schmach und wahrscheinlich körperliche Bestrafung erleiden müssen. Ihr Vater mochte als kommunistischer Minister vielleicht liberal wirken, aber Sexualität hatte nichts mit Politik zu tun, und in Hinsicht auf diese Affäre würden seine Ansichten konservativ ausfallen. Fjodor würde vor einem Militärgericht landen. Ara würde Urteil und Strafe von ihrem Vater erhalten.
    Mit tiefen Atemzügen, aber ohne die Ruhe und Ausgeglichenheit, die sie sich normalerweise von ihren Gebeten erhoffte, rollte sie den Gebetsteppich zusammen. Frauen beteten üblicherweise nicht in der Gemeinde, sondern zu Hause. Es gab zwar keine theologischen Gründe, die sie vom Moscheebesuch abhielten, aber die strengen Vorschriften, die sie dafür einhalten musste, erschwerten ihr das öffentliche Beten. Bei ihrem letzten Besuch hatte man ihr vorgeworfen, sie würde Parfüm tragen. Am Ende hatte sie zugegeben, dass sie sich die Hände mit Seife gewaschen hatte und dass die Seife vielleicht parfümiert war. Nach der Demütigung, sich von einer Reihe von Männern beschnüffeln zu lassen, betete sie jetzt allein.
    Sie sah sich in ihrem Zimmer um, betrachtete den Gebetsteppich, die Kleidung, den Kleiderschrank, Stuhl und die Lampe und erinnerte sich an die Lektion von Genosse Demidow. Würde ein Agent ihr Zimmer durchsuchen, wären die einzigen interessanten, brisanten Funde die Gegenstände, die sie von den Sowjets bekommen hatte – ein Schreibheft und ein billiger Kugelschreiber. Wenn Nara lernen wollte, musste sie ihre Bücher in ihr Zimmer schmuggeln. Sie bewahrte sie draußen auf, in der schmalen Seitenstraße, eingewickelt in Plastik zum Schutz vor Witterung und Dreck und versteckt in einer Spalte der

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