Agent 6
Ich kann Ihnen genug Informationen geben, damit Sie genau einschätzen können, bei welchem Punkt die Sowjetunion keine andere Wahl hat, als abzuziehen.
Greene aschte auf den Teppich ab und wartete, bis sich ein Brandloch bildete, bevor er die Glut austrat.
– Ich erkläre Ihnen die Lage mal aus unserer Sicht. Wir sollen uns aus diesem Krieg heraushalten.
Salaam unterbrach:
– Das Gleiche gilt für Pakistan.
Auf diese Bemerkung reagierte Greene mit einer hochgezogenen Augenbraue, als hätte sie nur ironisch gemeint sein können. Er fuhr fort:
– Die amerikanische Öffentlichkeit hat kein Interesse daran, dass wir uns in diesen Konflikt verwickeln lassen. Wenn wir Ihnen Asyl gewähren, riskieren wir einen ernsthaften Bruch mit den Sowjets und lösen einen politischen Kampf aus, dessen Ausgang wir vielleicht nicht kontrollieren können. Die Sowjets würden verlangen, dass wir Sie ausliefern. Wir würden ablehnen. Und so weiter. Wer weiß, wo das enden würde?
Leo beeilte sich, die These des Amerikaners zu korrigieren.
– Sie haben recht. Die Sowjets dürfen nicht herausfinden, dass ich übergelaufen bin. Es gibt auch keinen Grund, warum sie es erfahren sollten. Sie glauben, ich wäre bei den Bombenangriffen umgekommen. Dass ich bis nach Pakistan kommen würde, war unwahrscheinlich, und ohne Fahads Hilfe hätte ich es nicht geschafft. Die Sowjets würden nie auf den Gedanken kommen, dass die Mudschaheddin mir geholfen haben. Fahad könnte sogar behaupten, dass sie mich gefangen halten, und nach einer gewissen Zeit sagen, sie hätten mich hingerichtet.
Leo hatte seine Töchter in Moskau nicht erwähnt, um die Lage nicht noch komplizierter zu machen. Greene zog wieder an seiner Zigarette; ihm schien zu gefallen, wie weit Leo den Plan durchdacht hatte.
– Ein kluger Vorschlag. Natürlich würden wir nicht verlautbaren, dass Sie übergelaufen sind, trotzdem besteht die Möglichkeit, dass die Sowjets es herausfinden.
Leo wartete, er spürte, dass Greene seine Position verdeutlichen wollte.
– Sie besitzen sicher viele Informationen, die uns interessieren würden. Ich habe einen anderen Vorschlag. Sie teilen uns hier alles mit, wir geben Ihnen Geld …
Leo unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln:
– Das hilft uns nicht. Wir brauchen ein neues Zuhause, ein neues Land, in das wir gehen können. Hier würde man uns finden, man würde uns jagen und töten.
Abdur Salaam warf Marcus Greene einen Blick zu. Die beiden arbeiteten zusammen, um an die Informationen zu gelangen, die sie haben wollten, ohne eine Gegenleistung zu erbringen.
– Wenn die USA entschieden hätten, in diesen Konflikt einzugreifen, und sei es mit verdeckten Maßnahmen, dann wären Sie wirklich etwas wert. Aber wir haben uns dazu nicht entschieden. Wir sind unentschlossen. Und ich fürchte, deshalb können wir Sie nicht aufnehmen.
Am selben Tag
Greene und Salaam eilten die Treppe hinunter, sie wollten das Treffen schnell beenden, nachdem sie keine Abmachung zu ihren Bedingungen treffen konnten. Leo folgte ihnen bettelnd, ihre Verhandlungen waren so gut wie gescheitert.
– Es muss doch irgendetwas geben, womit ich Sie überzeugen kann. Irgendeine Information, die Ihnen zeigt, dass ich Ihnen nutze.
Ohne sich umzudrehen antwortete Greene:
– Sie sollten mir so viele Informationen wie möglich geben.
Leo sagte:
– Ich werde Ihnen doch nicht alles erzählen, damit Sie mich nachher sitzen lassen.
Greene zuckte mit den Schultern.
– Dann kommen wir nicht weiter. Ich rede mit meinen Vorgesetzten über Sie, vielleicht sehen sie die Sache anders. Warten Sie hier. Es dauert nur ein paar Tage.
– Sie werden ihnen nahelegen, meine Bitte um Asyl abzulehnen, oder? Sie werden bestimmt behaupten, meine Informationen wären das Risiko nicht wert.
– Die Entscheidung liegt letztlich nicht bei mir.
Leo konnte seine Verzweiflung nicht mehr verbergen.
– Ihre Vorgesetzten werden auf Sie hören! Sie nehmen jede Empfehlung von Ihnen an. Sie sind derjenige, der mir gegenübergestanden hat!
Als Greene gerade antworten wollte, blieb er so abrupt stehen, dass Leo ihn beinahe anrempelte. Am Fuß der Treppe stand Hauptmann Waschtschenko.
Der Hauptmann wurde von zwei Afghanen flankiert, Spezialagenten und seine Führer in dieser Region, weil er weder Dari noch Urdu sprach. Waschtschenko war angezogen wie ein Tourist. Seine Tarnung stand ihm nicht, in ziviler Kleidung wirkte er unbeholfen. Trotz des schwülen Abends trug er eine weite
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