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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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durchziehen, sehen die beiden ihren Vater nie wieder. Vielleicht wird sogar gegen sie ermittelt, man könnte ihre Loyalität dem Staat gegenüber infrage stellen.
    Die Drohung war klug platziert. Das Angebot klang verlockend. Leo überlegte, nach Moskau zurückzukehren. Er könnte seine Töchter wiedersehen. Nara und Zabi wären in Sicherheit. Aber konnte er dem Angebot trauen und sich darauf verlassen, dass der Hauptmann sein Wort hielt? Vielleicht wurde er hingerichtet, sobald er wieder in Kabul war. Der Deserteur Fjodor war nur einen Tag fortgeblieben, und auch das nur, weil er sich verliebt hatte, und er war zum Tode verurteilt worden. Leo hatte einen viel schwereren Verrat begangen.
    Damit Leo über diese Mischung aus Anreizen und Warnungen nachdenken konnte, wandte sich Waschtschenko an Greene und schoss gegen das Land, das Leo aufnehmen wollte.
    – Sie sollten sich gut überlegen, ob dieser Mann für Sie eine Hilfe oder eine Belastung ist.
    Bevor Leo etwas einwerfen konnte, antwortete Greene in fließendem, elegantem Russisch:
    – Wir haben die Angelegenheit gründlich durchdacht. Seiner Bitte um Asyl haben wir schon entsprochen. Außerdem befindet er sich nicht mehr im sowjetisch kontrollierten Afghanistan, sondern in Pakistan, Sie besitzen hier rechtlich keine Befugnis, was ihn betrifft. Mein Kollege Salaam ist sehr aufgebracht darüber, dass Sie unerlaubt in sein Land eingedrungen sind. Ich fürchte, wir können Ihnen den Mann nicht überlassen.
    Leo bewahrte die Fassung. Weder schnappte er hörbar nach Luft, noch starrte er Greene überrascht an. Er bemühte sich, so zu tun, als wäre diese Lüge die Wahrheit. Greene spielte mit seiner Zigarettenschachtel.
    – Ich sollte noch etwas erwähnen: Falls man Sie als sowjetischen Offizier, für den ich Sie halte, in Pakistan verhaften sollte, würde die pakistanische Regierung sehr ungehalten sein. Man würde Sie als einen Spion einstufen. Das könnte für Sie weit schlimmere Probleme mit sich bringen als die, die Sie hier lösen wollten.
    Greene übersetzte seine Kommentare rasch auf Urdu für den pakistanischen Nachrichtenoffizier, der nickte. Leo wusste, dass sich Hauptmann Waschtschenko auf keinen Fall kampflos gefangen nehmen lassen würde. Und wenn man ihn in Peschawar tot auffinden sollte, würde die sowjetische Regierung abstreiten, dass er für sie arbeitete, und einen ganzen Schwung von Ausreden anführen.
    Ein schüchterner junger Kellner brachte vier Flaschen Cola auf einem Stahltablett an ihren Tisch. Er stellte vor jeden eine Flasche. Der Hauptmann legte die Hände gefaltet auf den Tisch.
    – Die Pakistaner versorgen die Afghanen mit Hilfslieferungen und Waffen. Dass sie vorgeben, neutral zu sein, bringt der Sowjetunion ohnehin nichts. Uns kann es also egal sein, ob sie aufgebracht sind.
    Greene warf Salaam einen Blick zu und murmelte eine zusammenfassende Übersetzung, bevor er den Hauptmann fragte:
    – Was heißt das konkret für uns? Sagen wir nur, der Mord an einem CIA-Agenten in Pakistan würde die Haltung der Vereinigten Staaten zu diesem Krieg dramatisch verändern.
    Der Hauptmann lächelte.
    – Es muss doch niemand zu Schaden kommen. Wir wollen nur unseren Mann, mehr nicht. Ich glaube, dass er Ihnen nichts nützt. Und Amerika sollte nicht so dumm sein, Truppen nach Afghanistan zu schicken. Warum sollten Sie sich in einen Konflikt verwickeln lassen, der so weit weg stattfindet? Demidows Informationen sind für Sie uninteressant.
    Obwohl sich Greenes Gesichtsausdruck nicht verändert hatte, sah man ihm deutlich seine Abneigung gegen den Hauptmann an:
    – Es tut mir leid, ich weiß immer noch nicht, wie Sie heißen …
    Leo warf ein:
    – Das ist Hauptmann Anton Waschtschenko.
    Dann herrschte Schweigen, während Berechnungen angestellt und Möglichkeiten durchgespielt wurden. Greene rauchte immer noch und schnippte die Asche in die Cola, die er nicht angerührt hatte. Der Hauptmann wurde ungeduldig. Er wandte sich wieder an Leo.
    – Demidow, kommen Sie mit mir zurück nach Afghanistan. Sie gehören nicht nach Amerika. Die beiden Menschen, die Sie beschützen wollen, sind nicht mehr in Gefahr. Und wenn Sie überlaufen, bringen Sie Ihre Töchter zu Hause in eine scheußliche Lage.
    Mit gesenktem Kopf überdachte Leo die Gefahren, die Elena und Soja drohten, wenn sein Überlaufen bekannt wurde.
    Nach den Bewegungen seiner Augen zu urteilen schätzte Hauptmann Waschtschenko gerade diskret ab, welche Gefahren drohten. Fahad war sein

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