Agent 6
Jacke, unter der er mit Sicherheit eine Waffe verbarg. Fahad, der eine Stufe hinter Leo stand, griff nach seiner Pistole. Greene bedeutete ihnen, dass sie ruhig bleiben sollten, auf der Treppe wollte er keinen Schusswechsel riskieren. So standen sie sich angespannt gegenüber, bis der Hauptmann auf Russisch die Treppe hinaufrief:
– Wir könnten nicht zulassen, dass Sie ihn mitnehmen.
Waschtschenko ging davon aus, dass die CIA Leo mit offenen Armen aufgenommen hatte. Greene hätte ihn korrigieren und sagen können, dass er kein Interesse an Leo hatte, was die Lage sofort entschärft hätte. Stattdessen zeigte er in Richtung Restaurant.
– Reden wir doch darüber.
Der pakistanische Nachrichtenoffizier war weniger höflich. Weil er kein Russisch sprach, wandte er sich auf Urdu an Greene. Leo verstand nicht, was gesagt wurde, und beobachtete nur ihre Körpersprache. Greene nickte und versuchte, seinen Kollegen zurückzuhalten, damit die Situation nicht eskalierte. Er antwortete Salaam auf Urdu, bevor er auf Russisch hinzufügte:
– Reden wir.
Leo fand es bemerkenswert, dass Waschtschenko ihn hier gefunden hatte. Überrascht hatte es ihn weniger. Die starke Militärpräsenz auf dem Khyber-Pass sprach dafür, dass er Leos Absichten erraten hatte. Immerhin hatte Leo schon einmal versucht, nach Amerika zu kommen. Wie Leo überlaufen wollte, hatte Waschtschenko vielleicht nicht gewusst, trotzdem hatte er Peschawar überwacht, weil er sicher war, sie würden durch die Stadt kommen. Mit seinem unerlaubten Aufenthalt in Pakistan ging der Hauptmann ein Risiko ein. Sollte man ihn entdecken und gefangen nehmen, würde das einen erheblichen diplomatischen Zwischenfall auslösen. Leo hielt es für unwahrscheinlich, dass der Mann die Grenze mit einer direkten Erlaubnis des Kremls überquert hatte. Die afghanischen Agenten konnte man verleugnen, aber nicht einen sowjetischen Militäroffizier. Möglicherweise handelte Waschtschenko allein, aus einem persönlichen Übereifer heraus, um den Fehler von Sokh Rot auszubügeln.
Zu viert setzten sie sich an einen der knallbunten Tische, auf dem noch schmutzige Teller standen. Leo, Greene und Salaam nahmen auf einer Seite Platz, der Hauptmann auf der anderen. Fahad und die beiden afghanischen Soldaten blieben mit der Hand an ihrer Waffe stehen, wie Krieger, die bei einer Zusammenkunft von Königen Wache hielten. Greene wandte sich auf Englisch an die restlichen Gäste. Leo nahm an, dass er ihnen sagte, sie sollten gehen, und sie gehorchten ohne Widerrede. Nur die Söldner ließen sich Zeit, vielleicht würden ihre Dienste hier ja gebraucht werden. Als sich der Raum leerte, zündete Greene eine neue Zigarette an und gab sich wie ein geselliger Professor, der sich den Vortrag eines Studenten anhören wollte. Waschtschenko wandte sich direkt an Leo.
– Keiner hat gedacht, dass Sie überlebt haben. Bis auf mich. Ich habe Ihre Akte gelesen. Mir war klar, dass Sie versuchen würden, Pakistan zu erreichen. Ich bin hier, um Ihnen das auszureden. Leo, Sie sind ein Kriegsheld, Sie haben Ihrem Land so lange gedient. Wir können nicht zulassen, dass Sie überlaufen. Vor allem glaube ich gar nicht, dass Sie wirklich überlaufen wollen.
Leo antwortete nicht, er ließ Waschtschenko aussprechen. Dem sanften Überreden würde sicher eine Drohung folgen.
– Wir haben bei dem Mädchen einen Fehler gemacht, Leo. Ich habe einen Fehler gemacht. Sie wollten die Kleine nur beschützen. Das kann ich verstehen. Ich habe auch Kinder.
Das Argument war lächerlich, aber Leo achtete darauf, sich nichts anmerken zu lassen.
– Ich habe wirklich geglaubt, ihr Tod würde Tausenden das Leben retten, sonst hätte ich das niemals getan. Vielleicht hatte ich recht, vielleicht auch nicht. Das ist egal. Die Legende über das Wunderkind hat sich längst verbreitet, und sie hängt nicht an dem Mädchen. Ihr Tod würde nichts ändern. Die Geschichte hat ein Eigenleben angenommen. Und das hatte ich nicht verstanden. Kommen Sie alle drei mit mir zurück. Sie werden nicht angeklagt. Wenn Sie wollen, können Sie zusammen in der Sowjetunion leben. Würde das Nara und dem Mädchen nicht gefallen? Sie waren lange genug in Afghanistan, Sie haben einen beachtlichen Sold angespart. Sie könnten sich ein angenehmes Leben gönnen, in Ihrem eigenen Land, in der Nähe Ihrer Töchter. Sie sollten an Ihre Töchter denken. Wie heißen die beiden?
Waschtschenko wusste genau, wie sie hießen.
– Wenn Sie diese Sache
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