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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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einziger ernst zu nehmender Gegner. Greene war scheinbar nicht ganz bei der Sache oder zumindest unbekümmert, er inhalierte tief und blies den Rauch durch die Nase aus. Leo war überzeugt davon, dass Waschtschenkos nächste Bemerkung seine letzte sein würde. Danach würde er zu Gewalt greifen. Der Hauptmann sagte:
    – Sie sollten sich aus Afghanistan heraushalten. Die Afghanen hassen Sie genauso wie uns. Wenn Sie sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen und aufhören, den Mudschaheddin Waffen zu liefern, setzen wir innerhalb von ein paar Monaten Recht und Gesetz durch. Wir eröffnen Schulen, bauen Straßen neu und sanieren die Infrastruktur. Wir sorgen dafür, dass die Leute lesen und schreiben lernen. Wenn sich Amerika in diesen Krieg einmischt, verurteilen Sie das Land zu jahrelangem Chaos. Und am Ende finden Sie keinen Verbündeten. Sie werden ein Regime schaffen, das Sie als Dank für Ihre Unterstützung verabscheut.
    Greene ließ seine Zigarette in die Colaflasche fallen, wo sie zischend auf der Oberfläche trieb.
    – Ich leite Ihre Botschaft an meine Vorgesetzten weiter.
    Dann übersetzte Greene das Gespräch. Salaam hörte aufmerksam zu, bevor er kurz mit Greene sprach. Greene übersetzte:
    – Salaam lässt Sie abziehen, ohne Sie zu verhaften. Das ist sein bestes Angebot. Heben Sie sich den Kampf für später auf. Er hat kein Interesse daran, den Konflikt mit der Sowjetunion eskalieren zu lassen.
    Leo hatte der Diskussion stumm zugehört. Nun näherte sie sich ohne eine Einigung der Parteien dem Ende. Ihm blieb keine Wahl, er musste handeln.
    Mit dem Knie brachte Leo den Tisch zum Wackeln, bis eine der Colaflaschen auf den Steinboden fiel. Als sie zerbrach und sich alle Blicke auf den Ursprung des Geräusches richteten, schnellte er vor, packte ein schmutziges Messer vom Tisch und rammte es dem Hauptmann in den Hals. Ohne das Opium, das ihn schwerfällig machte, war er relativ schnell, Waschtschenko konnte den Angriff nicht abwehren. Das Messer glitt in seine Kehle. Die beiden afghanischen Agenten sahen entsetzt zu, sie hatten Leo nicht als Bedrohung eingestuft. Fahad reagierte als Erster, er zog seine Pistole und tötete die afghanischen Offiziere. Waschtschenko erschoss er nicht, ihn ließ er auf seinem Platz sitzen. Leo packte beide Hände des Hauptmanns und drückte sie auf den Tisch. Sogar mit einer tödlichen Verletzung war der Mann unglaublich stark und versuchte, sich loszureißen. Leo hielt ihn so fest, dass er nicht wegkonnte. Der Hauptmann trat um sich, er beugte sich vor, bis er beinahe Leos Gesicht berührte. Schließlich wurde er schwächer und schloss die Augen, aber Leo ließ ihn immer noch nicht los, er drückte die Hände des Hauptmanns weiter auf den Tisch, bis er sich nicht mehr bewegte.
    Dann ließ er ihn los, und der Hauptmann fiel zu Boden. Leo stand auf und sagte:
    – Er hätte mich auf keinen Fall am Leben gelassen. Und er hätte sich niemals gefangen nehmen lassen. Es gab keine andere Lösung.
    Es war lange her, dass Leo jemanden getötet hatte. Greene, der sitzen geblieben war, zog seine eleganten Schuhe von der Blutlache zurück, die sich auf dem Boden bildete, und sagte:
    – Die Sowjets haben äußerste Anstrengungen unternommen, um Sie zu töten. Sie sind ihnen mehr wert, als ich dachte.
    Salaam begutachtete die Leichen. Er ging in die Hocke und durchsuchte die Taschen des Hauptmanns. Leo flüsterte Greene zu:
    – Bekommen wir Asyl? Werden Sie meine Bitte befürworten?
    Greene überlegte.
    – Ja.
    *
    Langsam ging Leo die Treppe hinauf. Er wusste nicht, ob er sich freuen oder besorgt sein sollte. Sein Überlaufen würde vielleicht kein Geheimnis bleiben. Immerhin gelangte er so endlich nach Amerika, und egal was passierte, Zabi und Nara würden auch eine neue Heimat bekommen. Bei diesem Gedanken beschleunigte er den Schritt, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Im oberen Flur lief er zu ihrem Zimmer und riss die Tür auf. Die Vorhänge waren zurückgezogen, von der Straße her fiel ein blasser, orangefarbener Schimmer auf das Bettzeug. Nara und Zabi waren nirgends zu sehen. Er betrat das Zimmer, ging um das Bett herum und fand sie im Schneidersitz auf dem Boden, ängstlich in einer Ecke hockend. Als er sich neben sie setzte, wusste er nicht, wie er erklären sollte, was sich unten abgespielt hatte – dass sie ein neues Zuhause bekamen. Er lächelte, aber Nara und Zabi starrten nur auf seine Hände. In der Eile hatte er vergessen, sie zu waschen. Sie waren

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