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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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einem Bericht wurde sogar Agent Yates vom FBI erwähnt. Yolande meinte, die Tatsache, dass in den großen Zeitungen nichts über Yates gestanden habe, sei sicher ein Beweis dafür, dass er in die Sache verwickelt war – irgendetwas stimme nicht, wenn eine so zentrale Figur, ein Agent, der Jesse Austin am Tag seiner Ermordung besucht hatte, nicht stärker in Erscheinung trat. Den einzigen Artikel, in dem Yates erwähnt wurde, hatte ein anderer Bürgerrechtler aus New Jersey zwei Monate nach dem Mord an Nelson geschickt. In dem kurzen Text berichtete eine Lokalzeitung, dass Jim Yates aus Teaneck aus dem FBI ausgeschieden sei, um mehr Zeit mit seiner kranken Frau zu verbringen. In dem Artikel wurde der Mann als Held gefeiert. Auch ein Foto von Yates war mit abgedruckt. Nelson hatte nur danebengeschrieben:
    Warum hat er sich wirklich zur Ruhe gesetzt?
    Aus Nelsons Kommentaren und Anmerkungen, die er an die Ausschnitte gekritzelt hatte, schloss Leo, dass es ihm weniger um die einzelnen Verantwortlichen gegangen war als vielmehr um das System, zu dem sie gehörten. Nelson hatte versucht, größere gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken – er war ein Träumer, genau wie Elena und Jesse Austin. Leo hatte schon vor langer Zeit alle ideologischen Bestrebungen aufgegeben: Sie hatten ihn beinahe vernichtet. Und Nelsons Geschäft wäre dadurch fast in den Bankrott getrieben worden. Von einer besseren Welt zu träumen war nicht ungefährlich.
    Als sich der Bus Teaneck näherte, wandte sich Nara entschlossen zu Leo um. Sichtlich nervös holte sie tief Luft, bevor sie auf Dari sagte:
    – Du verlässt uns, oder? Und lüg nicht. Sag mir einfach die Wahrheit. Du bleibst nicht in Amerika. Etwas ist anders.
    Leo bedauerte, dass er sich ihr nicht früher anvertraut hatte. Sie war keine naive, junge Frau mehr, die bei ihm zur Ausbildung war. Sie verlangte, in seine Pläne eingeweiht zu werden, und sie hatte das Recht, die Wahrheit zu erfahren.
    – Die Sowjets wissen, dass wir übergelaufen sind, zumindest vermuten sie es. Meine Töchter werden schikaniert. Bis jetzt sind die Maßnahmen gegen sie noch eine Warnung. Wenn ich mich nicht stelle, wird man sie ins Gefängnis stecken. Ich kann sie nur schützen, indem ich aufgebe.
    – Wer hat dir das gesagt?
    – Marcus Greene.
    Nara musterte ihre Handflächen, als stünde dort die Antwort.
    – Damit du zurückgehst?
    – Was bleibt mir denn?
    – Vielleicht erreichst du gar nichts damit, wenn du in die Sowjetunion gehst.
    – Mein Land ist nicht mehr so wie früher. Sie wollen meinen Töchtern nicht unbedingt schaden. Bösartig werden sie nur, wenn sie etwas Bestimmtes erreichen wollen. Ich glaube, meinen Töchtern passiert nichts, wenn ich zurückgehe. Sicher bin ich mir nicht …
    – Du wärst ein Verräter.
    – Ich bin ein Verräter.
    – Werden sie dich hinrichten?
    – Ich arbeite für die Amerikaner und gebe ihnen Informationen, die zum Tod von sowjetischen Soldaten führen.
    – Diese Soldaten sterben, weil sie nach Afghanistan geschickt wurden, nicht deinetwegen.
    – Das ist egal. Ich bin ein Verräter. Daran gibt es nichts zu rütteln.
    – Bedeutet dir dein eigenes Leben so wenig?
    Leo dachte über die Frage nach.
    – Ich sehe mein Leben nur in Beziehung zu den Menschen, die ich liebe.
    – Hast du uns lieb?
    – Natürlich.
    – Und trotzdem verlässt du uns?
    – Nara, ich kann nicht anders.
    Es kostete Nara Mühe, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Sie war jetzt für Zabi verantwortlich. Es war ihre Pflicht, die Lage mit kühler Logik zu betrachten.
    – Wenn du Agent Yates findest, vergiss nicht, dass du das Land verlässt. Wir nicht. Wir müssen hier weiterleben. Was du tust, hat vielleicht auch für uns Konsequenzen.
    – Ich würde nie zulassen, dass dir oder Zabi etwas passiert, genauso wenig, wie ich das bei Soja oder Elena zulassen würde.
    – Yates zu suchen hilft deinen Töchtern nicht.
    – Stimmt.
    – Warum tust du es dann?
    – Ich tue es nicht für sie.
    – Für deine Frau?
    – Ja.
    – Das glaube ich dir nicht. Sie ist tot, Leo.
    – Ich habe ihr etwas versprochen. Ich kann es nicht erklären.
    Nara schüttelte den Kopf.
    – Das tust du nicht für sie. Du tust es für dich. Dein Leben dreht sich nicht nur um die Menschen, die du liebst. Es dreht sich um die Menschen, die du hasst.
    Leo wurde ungehalten.
    – Ja, das stimmt. Wenn der Mensch, den du über alles liebst, ermordet wird, geht es um Hass. Ich hoffe, du

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