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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Seelen hatten. Und ein Mann arbeitete. Er versuchte, aus seinem Land einen besseren Ort zu machen. Er wollte ihnen sagen, dass ein Mann ohne Arbeit kein Mann war, aber er war sicher, dass sie es nicht verstehen würden. Sie waren ihm genauso fremd wie diese russischen Kommunisten.
    Yates arbeitete seit der Gründung 1956 für COINTELPRO , das Counter Intelligence Program des FBI , das bestimmte politische Organisationen in den USA stören sollte. In den vergangenen neun Jahren war er zu einem der wichtigsten Agenten aufgestiegen. Er überwachte den Nationalen Ausschuss zur Abschaffung des HUAC  – des Ausschusses für unamerikanische Umtriebe – und hatte sich damit einen Namen gemacht. Ein Ausschuss, um einen Ausschuss abzuschaffen. Aber diese Leute konnten nicht einmal erkennen, wie lächerlich ihr Name und vor allem ihr ganzes Vorhaben war. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich für die Rechte von Verrätern einzusetzen und abstrakte akademische Diskussionen darüber zu führen, die Rechte des Einzelnen wären wichtiger als das Wohlergehen der Gesellschaft. Er hätte gedacht, Kommunisten würden verstehen, dass die Bedürfnisse vieler schwerer wogen als die Bedürfnisse weniger. Es interessierte sie gar nicht, dass es Verschwörungen gab, um ihrem Land zu schaden. Solche Argumente taten sie als Panikmache ab. Es widerte ihn an, dass sie so selbstgefällig die Augen verschlossen. Er kannte die Verschwörungen, die Pläne – er verstand, dass ihre Art zu leben von einem mächtigen Feind gehasst wurde und beschützt werden musste.
    Man hatte ihn bald dazu befördert, sich um die KPUSA zu kümmern, die Kommunistische Partei Amerikas. Die Mitgliederzahl der Partei sank seit einiger Zeit. Als möglichen Grund vermutete er, dass neue Mitglieder im Untergrund bleiben sollten. Aber COINTELPRO ging kein Risiko ein. Die Abteilung wollte die Partei vernichten. Alles andere würde nicht reichen. Der neue Anführer der KPUSA , Gus Hall, war in der Internationalen Lenin-Schule in Moskau ausgebildet worden, und COINTELPRO würde ihm nicht erlauben, die Organisation in der Öffentlichkeit stärker zu vertreten oder ein geheimes Netzwerk zu schaffen, um die Maßnahmen gegen die Partei besser zu umgehen. Sie konnten verschiedene Methoden nutzen: Infiltration, psychologische Kriegsführung, legale Schikanen – zum Beispiel über Steuern, indem sie das Finanzamt schickten, um jeden einzelnen Zettel zu überprüfen und nach dem kleinsten Fehler zu suchen. Sie konnten auch die örtlichen Polizeikräfte einsetzen und als letztes, aber wichtigstes Mittel zu illegaler Schikane greifen. Yates selbst ließ davon die Finger, so etwas übertrug man pensionierten Polizisten oder Leuten, die mit dem FBI nichts zu tun hatten. Skrupel hatte er natürlich nicht. Wie Hoover sagte:
    Das Ziel unserer Arbeit ist es, falsche Organisationen zu stören, und dazu ist es unerheblich, ob die Anklagen durch Tatsachen gestützt werden.
    Als Mitarbeiter von COINTELPRO sollten sie Störenfriede erkennen und unschädlich machen, bevor sie ihr Gewaltpotential entfalteten. Und darin war Yates einer der Besten.
    Als er das Treppenhaus des fünfstöckigen Backsteinbaus betrat, schien die Temperatur nach oben zu schnellen. Es war so heiß, dass Yates stehen bleiben, ein Taschentuch hervorholen und sich die Stirn abwischen musste. Es roch übel, er wollte gar nicht darüber nachdenken, woher die verschiedenen Gerüche stammten. Während er auf dem Weg die Treppe hinauf den Alkohol von letzter Nacht ausschwitzte, musterte er den rissigen Putz an den Wänden, die kaputten Dielen, die schäbigen Rohrleitungen und die Türen, die mit zusammengewürfelten Holzbrettern und Pappe geflickt waren, nachdem sie sicher bei irgendeinem Streit zu Bruch gegangen waren. Yates spürte förmlich die Feindseligkeit der Menschen, die im Flur und auf der Treppe herumlungerten, ohne Arbeit, ohne besondere Fähigkeiten, die sie einbringen konnten, nur mit dem tiefsitzenden Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Sie konnten rund um die Uhr darüber reden, was man ihnen angetan und wie ihr Land sie im Stich gelassen hatte. Man schätzte, dass unter den Mitgliedern der KPUSA mindestens zwanzig Prozent Schwarze waren, weit mehr als im Durchschnitt der landesweiten Bevölkerung. So sah ihre Lösung aus – weil sie keine Arbeit fanden, rissen sie das ganze Gerüst ein, das ihr Land trug. Wenn Yates an ihnen vorbeiging, lächelte er ihnen zu und wusste dabei genau, dass sein

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