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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Christbaumkugel, die ihren Schimmer längst eingebüßt hatte.
    Yates sah, wie Jesse Annas Hand ergriff. Wollte er damit zeigen, dass die beiden immer noch zusammen waren, trotz aller Fallstricke, die Yates und seine Kollegen gespannt hatten – darunter Gerüchte über Ehebruch und Beschuldigungen, er hätte weiße Mädchen belästigt? Solche Behauptungen hatten sich leicht fabrizieren lassen. Es gab zahllose Fotos, auf denen Jesse nach seinen Konzerten von Bewunderern umringt war, vor allem von Frauen, auch von jungen Mädchen. Er war ein körperlicher Mensch, ständig legte er den Leuten eine Hand auf die Schulter oder nahm hübsche, junge Frauen in den Arm. Sie hatten ihn mit Dreck beworfen, und etwas war hängen geblieben. Genug Zeitungen brachten die Geschichte, genug Mädchen meldeten sich und sagten, er hätte sich unschicklich verhalten. Natürlich meldeten sie sich erst nach einer kleinen Ermutigung durch Yates’ Leute, einem sanften Schubs, einer Drohung, aus Angst vor der Beschuldigung, sie würden mit Kommunisten sympathisieren. Anna hatte nie gezweifelt, sie hatte die Frauen bei jeder Gelegenheit als Lügnerinnen bezeichnet und sie öffentlich dafür bemitleidet, dass sie nicht genug Anstand und Mut besaßen, um dem FBI zu trotzen. Wäre sie doch nur schwächer gewesen, hätte sie Jesse doch nur verlassen, dann wäre er jetzt mit Sicherheit ein gebrochener Mann. Aber sie hatte treu und unerschütterlich zu ihm gestanden – so sollte sich eine Frau ihrem Ehemann gegenüber verhalten. Noch immer verliebt, noch immer an seiner Seite, hielt sie seine große Hand, als könnte er sie beschützen. Sie musste aufhören, sich etwas vorzumachen: Diese großen, sanften Hände hatten sie nicht beschützt, sie hatten ihr mehr geschadet, als wenn Jesse sie damit verprügelt hätte. Jesse und Anna waren so stolz auf ihre Liebe und auf ihre Beziehung, als hätte ihnen jemand von Yates’ nutzloser, verrückter Frau erzählt. Er sprach seinen Gedanken laut aus.
    – Das ist doch scheißegal.
    Die beiden sahen ihn an, als wäre er ebenso seltsam wie furchteinflößend. Yates gefiel die Vorstellung, Furcht zu verbreiten.
    Er klopfte seine Tasche nach Zigaretten ab. Sie lagen im Auto. Ihm wurde klar, dass er von letzter Nacht noch ein wenig betrunken war.
    – Der große, alte Jesse. Sag mal, willst du dich mit deinen Russenfreunden treffen, die in der Stadt sind? Sie haben ständig versucht, dich zu erreichen, immer wieder. Briefe, Einladungen … Die meisten haben wir abgefangen, aber ein, zwei könnten vielleicht durchgerutscht sein. Oder haben sie jemanden vorbeigeschickt?
    Jesses Gesicht blieb ausdruckslos. Weil er keine Zigaretten fand, holte Yates ein Streichholz hervor und stocherte sich zwischen den Zähnen herum.
    – Komm schon, keine Spielchen, dafür kennen wir uns zu lange. Willst du mir etwa erzählen, du wüsstest nicht, dass heute Abend eine Bande Kommunistenkinder in der UN singt? Sie singen über Harmonie und Weltfrieden und das ganze Zeug, das ihr Kommunisten so liebt. Ich wollte mal sehen, ob du dort auftauchst.
    Anna antwortete:
    – Darüber wissen wir nichts.
    Yates kam ihr so nah, dass sie einen Schritt zurückweichen musste.
    – Wirklich nicht?
    Jesse sagte:
    – Nein, wirklich nicht. Sie haben kein Recht, unsere Post abzufangen.
    Obwohl Jesse geantwortet hatte, hielt Yates den Blick auf Anna geheftet.
    – Normalerweise steht es Ihnen, wenn Sie sich zieren, Mrs. Austin. Vor zwanzig Jahren hätte es vielleicht sogar gezogen, als Sie mit Ihren falschen Wimpern durch die Stadt stolziert sind, Galas besucht haben und in Zeitschriften waren. Möglicherweise wäre ich darauf reingefallen. Ich habe einfach eine Schwäche für hübsche Frauen. Ich hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und Sie gefickt, damit Ihr Mann weniger Druck kriegt. Ich wette, es hätte Ihnen gefallen, Sie hätten mir den Rücken zerkratzt und sich dabei gesagt, Sie würden es für ihn tun.
    Yates bemerkte, dass Jesse eine Hand zur Faust geballt hatte. Die Wut brachte noch mal Leben in den alten Mann. Er rührte sich nicht, wagte nicht, einen Schritt näher zu kommen. Yates sagte:
    – Na los, Jesse. Verteidige sie. Sei ein Mann. Verpass mir eine. Damit machst du vielleicht sogar dieses Dreckloch wett, in dem sie deinetwegen wohnen muss.
    Jesses Gesicht zitterte vor Hass, wie eine gezupfte Cellosaite. Er konnte sich mit Mühe und Not beherrschen und wiederholte nur, was Anna schon gesagt hatte.
    – Wir haben

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