Agent der Sterne
»Sie müssen einen Plan ausarbeiten und ihn in die Tat umsetzen. Außerdem müssen Sie als Joshuas Assistent fungieren. Wobei mir einfällt: Er muss bei Ihnen wohnen.«
»Was?«, entfuhr es mir, während ich Visionen von Schleim auf meinen schönen Polstermöbeln hatte.
»Tom«, sagte Joshua, »es ist nicht so leicht, einen regelmäßigen Pendelverkehr zwischen hier und unserem Raumschiff einzurichten.«
»Die Einzelheiten können wir später klären«, sagte Carl und kehrte zum eigentlichen Thema zurück. »Aber jetzt müssen Sie erst einmal die Liste Ihrer Klienten durchgehen, und zwar so unauffällig wie möglich. Werfen Sie jeden Ballast ab. Joshua ist jetzt Ihr Vollzeitjob.«
Ich starrte auf die Akten und spürte ein merkwürdiges Kribbeln im Kopf. Einerseits war genau das der Traum jedes Agenten – alle nervigen Klienten über den Jordan zu schicken! Den unnötigen Ballast loswerden! Jeder Agent, der keine Agentur leitete, hatte Klienten, auf die er lieber verzichten würde – und jetzt war mir sogar aufgetragen worden, so viele wie möglich abzuservieren. Andererseits ist man als Agent so gut wie die Klientenliste, die man vorweisen kann. Lieber schlechte Klienten als gar keine Klienten. Intellektuell verstand ich, dass mein neuer »Klient« eine Gelegenheit war, wie sie sich höchstens einmal im… nein, wie sie sich noch nie zuvor geboten hatte, wenn ich genauer darüber nachdachte. Emotional fühlte es sich jedoch an, als würde ich die aufsteigende 747, die meine Agentenkarriere versinnbildlichte, nun in den Pazifik lenken, worauf die Passagiere, meine Klienten, schreiend auf den Sitzen kauerten und ihre kleinen Sauerstoffmasken in den Turbulenzen schaukelten.
Genug gegrübelt, entschied ich und griff nach der ersten Akte.
Tony Baltz. Weg damit. Er war sowieso auf dem absteigenden Ast, da er inzwischen viel zu stolz war, um die Rollen anzunehmen, die ihn berühmt gemacht hatten.
Rashaad Creek. Behalten. Ich konnte einiges auf seine Mutter abwälzen, die in dieser Partnerschaft sowieso die meiste Schwerarbeit leistete. Die beunruhigenden ödipalen Untertöne hatten mich schon immer irritiert, doch nun konnte ich sie endlich zu meinem Vorteil nutzen.
Elliot Young. Behalten. Der liebenswerte Elliot gehörte nicht zu den hellsten Zeitgenossen. Einen Nachmittag lang konnte ich mich mit ihm hinsetzen und ihn überzeugen, wenn er die Serie noch mindestens ein Jahr durchhielt, würde sich sein Wechsel auf die Kinoleinwand langfristig als noch viel profitabler erweisen. Wer weiß, vielleicht stimmte das sogar.
Tea Reader. Weg damit. Dem allmächtigen Herrn sei gedankt!
Michelle Beck. Behalten. Selbstverständlich. Michelle Beck war ein idealer Vorwand. Wenn ein Klient zwölf Millionen pro Film einsackte, konnte man dem Agenten nicht vorwerfen, dass er mehr Zeit auf diesen Klienten verwenden wollte. Und ganz gleich, ob ich ansonsten unterhalb des Radars flog, wenn ich Michelle nach der heute ausgehandelten Gage fallenließ, würden das etliche Leute bemerken. Michelle und ich waren eine lebenslange Partnerschaft eingegangen, solange sie nicht ausrastete und sich einen neuen Agenten suchte. Wenn ich sie nicht hätte, würde ich, wie es mein Vater gern ausgedrückt hatte, durch einen dicken Flauschteppich voller Scheiße waten. Mein zwiespältiges Gefühl in dieser Angelegenheit erschütterte mich zutiefst.
Die Leute weiter unten auf der Liste konnte man sowieso in der Pfeife rauchen. Letztlich spielte es überhaupt keine Rolle, wer sie repräsentierte.
Ich war fast mit dem Klientenversenken fertig, als Miranda mich ansummte. »Mr. Stein«, sagte sie. Die Gelegenheiten, bei denen sie mich »Mr. Stein« nannte, konnte ich an den Fingern einer Hand abzählen, ohne den Daumen und den Zeigefinger benutzen zu müssen. »Amanda Hewson ist hier.«
»Führen Sie sie bitte herein, Miss Escalon.« Ich nannte Miranda noch viel seltener »Miss Escalon«, als sie mich mit »Mr. Stein« ansprach.
Miranda spazierte herein, gefolgt von einer schlaksigen Blondine, die aussah, als wäre sie noch nicht reif genug, um sich Filme mit beschränkter Altersfreigabe ansehen zu dürfen. Amanda Hewson war erst vor einem Monat aus der Poststelle nach oben befördert worden. Ihre zwei Klienten waren ein ehemaliges mexikanisches Soap-Opera-Starlet, das ganz groß in Hollywood herauskommen wollte, sich aber hartnäckig weigerte, die englische Sprache zu erlernen, und ein Schauspieler, der Amanda Erste Hilfe geleistet hatte, als sie
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