Agent der Sterne
Regel: Du stellst eine Frage, und dann stelle ich eine Frage.«
»Du hast Fragen an mich?«
»Natürlich. Aus meiner Perspektive bist du das Alien.«
»Gut.«
»Keine Lügen und keine Ausweichmanöver«, sagte Joshua. »Ich denke, dass unsere Geheimnisse beim andern gut aufgehoben sind. Wem könnten wir sie schon weitererzählen? Kannst du damit leben?«
»Kann ich.«
»Schön«, sagte Joshua. »Du zuerst.«
»Was bist du?« Ich dachte mir, dass ich genauso gut mit der ganz großen Frage anfangen konnte.
»Sehr gute Frage. Ich bin eine hoch entwickelte und komplex organisierte Kolonie aus einzelligen Organismen, die auf dem makrozellularen Level zusammenarbeiten.«
»Was bedeutet das?«
»Warte, bis du wieder dran bist«, sagte Joshua. »Wie bist du zu diesem Haus gekommen? Eine nette Hütte.«
Er hatte Recht. Es war tatsächlich eine nette Hütte. Viel besser, als ich mir mit eigenen Mitteln hätte leisten können (zumindest bis vor kurzem) – eine Ranch mit vier Schlafzimmern auf einem knappen halben Hektar, mit Blick über das Tal und auf der Rückseite an den Angeles National Forest angrenzend. Gelegentlich wachte ich nachts auf und sah in meinem Garten einen Hirsch oder einen Kojoten, der den Müll durchwühlte. So etwas gilt hier in L.A. als natürliche Wildnis. Außerdem liegt das Haus knapp über der Smogschicht. Das sind die Vorteile, wenn man wohlhabende Eltern hat. Meine Mutter hatte mir das Haus überschrieben, nachdem mein Vater gestorben war und sie sich in Scottsdale zur Ruhe gesetzt hatte, um dem Pflegeheim ihrer Mutter näher zu sein.
Das einzige Argument, was dagegen sprach, war, dass das Haus im falschen Tal stand – in San Gabriel, wo die »realen« Menschen wohnten, sprich: die Leute, die nicht in der Filmbranche tätig waren. Es kam immer wieder vor, dass einer meiner Agentenkollegen mich deswegen aufzog. Dann lächelte ich freundlich und fragte sie, wie viel Miete sie für ihr Ein-Zimmer-Apartment in Van Nuys bezahlten.
»Ich habe mein ganzes Leben lang hier gewohnt«, sagte ich. »Meine Mutter hat mir das Haus überlassen, als sie umgezogen ist. Was bedeutet ›hoch entwickelte und komplex organisierte Kolonie aus einzelligen Organismen‹?«
»Das bedeutet, dass sämtliche Zellen meines Körpers eigenständige, unspezialisierte Lebewesen sind«, sagte Joshua. »Was hat dich dazu gebracht, Agent zu werden?«
»Mein Vater war Agent – literarischer Agent«, erklärte ich. »Als Kind war ich dabei, wenn er seine Klienten zum Abendessen mitgebracht hat. Es waren ziemlich schräge, aber witzige Leute. Ich fand es cool, dass mein Vater so seltsame Leute kennt, also beschloss ich, ebenfalls Agent zu werden. Damals muss ich etwa fünf gewesen sein. Ich hatte keine Ahnung, was ein Agent wirklich macht. Wenn du eigentlich eine Ansammlung von kleineren Lebewesen bist, wie machst du es dann, dass sich alle so bewegen oder verhalten, wie du es willst?«
»Ich weiß es nicht. Weißt du, wie du dein Herz zum Schlagen bringst?«
»Klar. Mein Gehirn schickt den Befehl an mein Herz, dass es weiterschlagen soll.«
»Richtig, aber du weißt nicht, wie der Vorgang im Einzelnen abläuft.«
»Nein.«
»Genauso ist es bei mir«, sagte Joshua. »Hast du eine Spielkonsole?«
»Was? Nein. In jüngeren Jahren hatte ich einen Nintendo, aber das ist schon sehr lange her. Hast du spezielle Organe, so etwas wie ein Herz oder ein Gehirn?«
»Nicht ganz. Die Zellen übernehmen abwechselnd bestimmte Aufgaben, je nach Bedarf. Im Augenblick sind die Zellen an meiner Oberfläche zum Beispiel dabei, sensorische Informationen aufzunehmen. Andere Zellen, die nicht anderweitig beschäftigt sind, führen kognitive Funktionen aus. Die Zellen rund um die Pizza sind dabei, sie zu verdauen. Wie ich bereits sagte, ich denke gar nicht über solche Sachen nach, sie werden automatisch erledigt. Wie sieht es mit Kabelfernsehen aus?«
»Grundausstattung plus HBO und Playboy Network.«
»Böser Junge.«
»Eigentlich wollte ich Showtime, aber es gab ständig Probleme. Es hat nie funktioniert.«
»Das glaube ich dir«, sagte Joshua. »Wirklich.«
»Bist du männlich oder weiblich?«
»Keins von beiden. Meine Zellen vermehren sich asexuell. Pornofilme lassen mich völlig kalt. Hast du einen Computer mit Internetanschluss?«
»Ich habe einen Mac und DSL. Warum fragst du nach diesen Sachen?«
»Nun, ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich bin ein Klumpen Gelatine. Das bedeutet, dass ich nicht allzu viel
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