Agent der Sterne
gedauert, bis wir kapiert haben, dass diese Sendungen gar keine Live-Übertragungen sind. Wir dachten, die Wiederholungen hätten irgendeine rituelle Bedeutung. Dass es so etwas wie religiöse Texte sind.«
»Ich hätte gedacht, dass man sehr schnell darauf kommen muss, weil die Brady-Familie nie altert.«
»Versteh mich nicht falsch«, sagte Joshua, »aber für uns seht ihr Menschen alle ziemlich gleich aus. Außerdem sind wir ja irgendwann drauf gekommen. Jetzt bin ich wieder dran.«
Die Frage-und-Antwort-Stunde dauerte insgesamt mehrere Stunden, wobei ich immer größere und kosmischere Fragen stellte und Joshua sich nach immer kleineren und persönlicheren Dingen erkundigte. Ich erfuhr, dass das Raumschiff der Yherajk ein ausgehöhlter Asteroid war, der sich mit Unterlichtgeschwindigkeit bewegte und mehrere Jahrzehnte gebraucht hatte, um uns zu erreichen. Joshua erfuhr, dass meine Lieblingsfarbe Grün war. Ich erfuhr, dass die Yherajk untereinander meistens mit komplexen, bedeutungtragenden Pheromonen kommunizierten, die in die Luft entlassen oder durch Berührung weitergegeben wurden. Der »Sprecher« ließ sich anhand eines individuellen Moleküls identifizieren – sozusagen seiner persönlichen Duftnote. Joshua erfuhr, dass ich lieber europäische Disco-Musik hörte als amerikanischen Gitarrenrock.
Am Ende wusste ich mehr über die Yherajk als jeder andere Bewohner meines Heimatplaneten, und Joshua wusste mehr über mich als jeder andere Bewohner meines Heimatplaneten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Joshua bei diesem Geschäft einen besseren Schnitt gemacht hatte, denn schließlich gab es nur einen weiteren Menschen, der überhaupt von Joshua wusste. Aber wahrscheinlich gab es recht viele Menschen, die von meiner Existenz wussten.
Nur eine Frage war bisher unbeantwortet geblieben: wie Joshua zu seinem Namen gekommen war. Doch er weigerte sich, es mir zu erklären.
»Das ist unfair«, sagte ich. »Wir haben vereinbart, dass wir weder lügen noch ausweichend antworten wollen.«
»Das ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt«, sagte Joshua. »Außerdem steht es mir gar nicht zu, diese Geschichte zu erzählen. Du müsstest schon Carl fragen, was es damit auf sich hat. Und jetzt…« Dabei bewegte er sich auf eine Weise, die an einen Menschen erinnerte, der sehr lange still gesessen hatte und sich anschließend streckte. »… verrate mir bitte, wo dein Computer ist. Ich muss mich dringend einloggen und nachsehen, wie viel Spam ich bekommen habe.«
Ich führte ihn ins Arbeitszimmer, in dem auch mein Computer stand. Er glitt auf den Stuhl, stülpte sich über die Tastatur und streckte einen Tentakel zur Maus hinüber. Ich machte mir leichte Sorgen, dass Teile von ihm in meiner Tastatur hängen bleiben könnten. Doch als er sich vom Tisch zum Arbeitszimmer bewegte, hinterließ er keine Schleimspuren. Also musste ich nicht um meine Polstermöbel fürchten, genauso wenig wie um meine Tastatur. Ich ließ ihn allein, damit er online gehen konnte, und trat auf die Veranda hinter meinem Haus.
Mein Garten stieg zur Rückseite des Grundstücks an, die in dichten Wald überging. Das Gelände lag etwas höher als die benachbarten Gärten – was ich sehr zu schätzen wusste, als ich dreizehn war und Trish Escobedo von nebenan sich am Pool sonnte. Ich setzte mich in meinen gewohnten Stuhl, von wo aus ich einen guten Blick in den Garten der Escobedos hatte. Trish war schon vor zwölf Jahren ausgezogen und inzwischen verheiratet, aber alte Gewohnheiten legt man nicht so schnell ab. Auf dem Weg nach draußen hatte ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank genommen. Ich schraubte den Deckel ab und lehnte mich zurück, um zu den Sternen aufzuschauen.
Ich dachte über Joshua und die Yherajk nach. Joshua war mein dringendstes Problem – ein sehr intelligenter, sehr amüsanter und sehr flüssiger Zeitgenosse, der, wie ich allmählich vermutete, dazu neigte, sich sehr schnell zu langweilen. Ich gab ihm etwa eine Woche, bis er in meinem Haus durchdrehte. Irgendwie musste ich eine Möglichkeit finden, ihn gelegentlich nach draußen zu schaffen. Ich hatte keine Ahnung, wie sich ein gelangweilter Yherajk verhielt, aber ich hatte nicht die Absicht, es herauszufinden. Punkt eins der Prioritätenliste: Exkursionen für Joshua organisieren.
Die Yherajk waren ein weniger dringendes, aber letztlich wesentlich komplizierteres Problem – schleimige Aliens, die gute Freunde der Menschen werden wollten, denen, wenn sie die Wahl
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