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Agent der Sterne

Titel: Agent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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hätten, irgendwelche Wesen mit Endoskelett wahrscheinlich lieber wären. Noch schlimmer wäre es wohl nur gewesen, wenn die Yherajk wie riesige Insekten ausgesehen hätten; dann wäre die eine Hälfte der Menschheit, die ohnehin schon Angst vor Spinnen und Kakerlaken hatte, schreiend davongerannt. Vielleicht war das ein gutes Motto: »Die Yherajk – sie sind wenigstens keine Insekten.« Ich blickte wieder zu den Sternen auf und fragte mich müßig, ob einer der Lichtpunkte das Asteroidenraumschiff der Yherajk war.
    Ich hörte ein Kratzen am seitlichen Gartentor. Ich ging hinüber und machte es auf. Ralph, der älteste Retriever der Welt, stand auf der anderen Seite und wuffte leise. Er wedelte zaghaft mit dem Schwanz und schaute mit einem müden Hundegrinsen zu mir auf, als wollte er sagen: Bin wieder ausgerissen. Gar nicht schlecht für einen alten Knacker wie mich, was?
    Ich mochte Ralph. Der jüngste Spross der Escobedos, Richie, hatte vor zwei Jahren seinen College-Abschluss gemacht und war ausgezogen, und ich vermutete, dass Ralph seitdem nicht mehr viel Beachtung fand. Esteban, dem eine Softwarefirma für große Computersysteme gehörte, hatte kaum Zeit, und man merkte sofort, dass Mary nicht viel für Hunde übrig hatte. Ralph wurde gefüttert, aber ansonsten ignoriert.
    Früher war Richie ab und zu mit Ralph bei mir vorbeigeschneit. Er war nur ein paar Jahre jünger als ich, und eine Zeit lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, ebenfalls Agent zu werden, bevor er Muffensausen bekam und sich auf Jura verlegte. Nachdem Richie ausgezogen war, kam Ralph immer noch zu mir. Vermutlich erinnerte ich ihn an die Zeiten, als noch jemand da gewesen war, der ihm Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Damit hatte ich kein Problem. Ralph wollte nichts anderes, als in der Nähe von jemandem sein. Darin ist er vielen alten Leuten ähnlich. Irgendwann würden Esteban oder Mary bemerken, dass er weg war, und rüberkommen, um ihn zu holen. Dann würde Ralph traurig zu mir aufschauen und seinem Herrchen oder Frauchen nach Hause folgen. Eine Woche darauf würde er sich wieder langweilen, und das Ritual ging von vorne los.
    Langsam kehrte ich zur Veranda zurück. Ralph schlurfte neben mir her und setzte sich neben mich, als ich mich wieder in meinen Lieblingsstuhl fallen ließ. Ich kraulte ihm den Kopf und ließ meine Gedanken erneut um die Yherajk kreisen.
    Aus irgendeinem Grund kam mir in diesem Moment eine Kindheitserinnerung in den Sinn. Mein Vater, Daniel Stein, saß am Esstisch mit Krzysztof Kordus, einem polnischen Dichter, der während des Zweiten Weltkriegs in ein Konzentrationslager geschickt worden war, nachdem er, ein Katholik, dabei erwischt worden war, wie er Juden aus Polen herausschmuggeln wollte. Später war er nach Amerika emigriert und hoffte nun, dass er seine Gedichte auf Englisch veröffentlichen konnte.
    Erst als ich auf dem College war, kam ich endlich dazu, seine Gedichte zu lesen. Sie waren zugleich schrecklich und schön – schrecklich, weil es um Tod und den Holocaust ging, schön, weil sich darin immer wieder Momente der Hoffnung im Schatten der furchtbaren Zerstörung fanden. Ich wusste noch, dass ich nach der Lektüre das Bedürfnis gehabt hatte, nach draußen in die Sonne zu gehen und zu weinen, weil ich zum ersten Mal verstanden hatte, was damals wirklich geschehen war.
    Ich hatte Verwandte, die im Holocaust gestorben waren, Großtanten und Großonkel mütterlicherseits. Meine Großmutter war in einem Arbeitslager interniert gewesen, als der Krieg zu Ende ging. Aber während meiner Kindheit und Jugend wollte sie nie darüber sprechen, und dann erlitt sie einen Schlaganfall, nach dem sie gar nicht mehr sprechen konnte. Erst durch Krzysztofs Gedichte bekam ich Zugang zu dieser Tragödie.
    Doch am Abend, als Krzysztof und mein Vater in unserem Esszimmer saßen, hatte Krzysztof gerade ein weiteres Ablehnungsschreiben erhalten. Er schimpfte auf meinen Vater, weil er es nicht schaffte, sein Buch zu verkaufen, und auf die Verleger, weil sie sein Buch nicht haben wollten.
    »Das müssen Sie verstehen«, sagte mein Vater zu Krzysztof. »Heutzutage kauft fast niemand mehr Lyrikbände.«
    »Ich verstehe einen Scheißdreck«, sagte Krzysztof und schlug mit der Faust auf den Esstisch. »Diese Gedichte sind genauso gut wie alle anderen, die man im Buchladen findet. Sogar noch besser. Sie müssen es doch irgendwie schaffen, jemanden zu überzeugen, sie zu kaufen, Daniel. Das ist Ihr Job!«
    »Krzysztof«, sagte mein

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