Agenten kennen kein Pardon
umgelegt hätte, wären sie ohne Whisky gewesen und ohne Dollars für die Weiber in Winnipeg. Und das wäre schlimm gewesen, schlimm nach fünf Monaten Wildnis und Schnee, wo man höchstens ein Eskimomädchen traf, das widerlich nach Tran stank. Recht? Moral? Es sind schöne Sachen, mein Junge, wenn die anderen auch so denken würden. Aber dann stehst du immer allein, dann bist du immer das Gesicht, das geohrfeigt wird, dann bist du ein Blöder, der an den Weihnachtsmann glaubt. Also sage ich: Alles ist nichts! Und ich freue mich, wenn es dann doch etwas ist … eine Frau und die Kinder, das Häuschen draußen bei Bernalillo und der kleine Garten, in dem ich Tomaten ziehe und wunderschöne gelbe Äpfel, die schmecken wie Ananas.« Der Alte holte tief Atem. Die lange Rede machte ihn durstig. Er schielte nach dem Hintergrund des Schlafsaals, wo eine primitive Theke aufgebaut war. »Wenn du das alles einmal hast, mein Junge, dann machst du dir keine Gedanken mehr, außer einem … wie lebe ich weiter und wie behalte ich das, was ich habe …« Er erhob sich und nickte Behrenz zu. »Komm, ein Gin kann nicht schaden. Man schläft dann besser.«
Behrenz schüttelte den Kopf. Er blickte nicht auf, als der Alte fortstampfte. Wie lebe ich weiter … daran denken die Menschen. Und hier lebe ich und suche einen Weg, dieses Leben auf einen Sekundenblitz zu verkürzen.
Ein Blitz in der Nacht Asiens.
Wegen drei lächerlicher Zähne.
Wegen nichts.
Nichts!
Er warf sich auf das Bett, mit dem Gesicht nach unten. Es würgte in seinem Hals. Er ekelte sich vor sich selbst.
Durch den Boden, getragen durch die Stahlbeine des Bettes, spürte er das Vibrieren des Bodens unter den Maschinen in den Felsen. Es war ein Zittern, das durch seinen ganzen Körper rann.
Mit der Ablösung der Nachtschicht ließ sich auch Heinz Behrenz aus Los Alamos hinausfahren. Wieder passierte er die Kontrollen, nannte seinen Namen – James Nichols – erhielt einen Stempel in den falschen Paß und verließ den Sperrgürtel der Atomstadt. Am Rand von Santa Fé setzte man ihn von dem Lastwagen ab. Dann entfernten sich die roten Rücklichter.
Die warme Sommernacht war um ihn. Über dem Himmel der Stadt stand der fahle Widerschein der Lampen. Um ihn herum dehnte sich das flache Sandplateau mit den bizarren Kakteen.
Frei, dachte er glücklich. Endlich wieder frei. Erlöst. Gerettet.
Er breitete die Arme aus und atmete die Luft ein.
Wie ein Vogel, der den ersten Flug wagt, wiegte er die Arme auf und ab.
Wie soll ein neues Leben aussehen, dachte er. Arbeiter auf einer Farm, oder Fahrer eines Lastwagens, oder Kumpel in einer Erzgrube? Egal – es gibt so manchen Dollar in Amerika, den man verdienen kann, wenn man will.
Er wanderte durch die Nacht. In den Taschen klimperte der Lohn von zwei Tagen.
Vierundzwanzig Dollar.
Zweitausendvierhundert Cents.
Kerls, was kostet die Welt!
Er schlug die Straße nach Las Vegas ein, wo in den Hügeln der Wagen der Zentrale wartete. Das Auto mit dem Funkgerät nach Nagoi.
Als er beim Morgengrauen die Hügelkette liegen sah, atmete er auf. Jetzt noch ein Funkspruch, und alles ist erledigt, dachte er. Ich werde Dr. Hakanaki sagen, daß ich nicht schuldig sein will an den Tränen von Millionen.
Ich will ihm sagen …
Und dann verbrenne ich das Gerät … Das Gerät und mein bisheriges Leben …
Mit schnellen Schritten eilte er Las Vegas entgegen.
*
Der Marokkaner Kezah ibn Menra hatte in dieser Zeit Santa Fé noch nicht verlassen. Er saß noch immer in der Herberge für reisende Kaufleute und lebte den sorglosen Tag eines Händlers, der auf seinen Zügen einen guten Abschluß gemacht haben mußte. Er ging viel spazieren, immer in der Stadt, saß in den Cafés herum und las in den Tageszeitungen und Journalen. Er fiel nicht auf, er war einer von den vielen Tausenden, die täglich durch Santa Fé gingen und das Wohlleben der Stadt bewunderten.
Aber er war nicht untätig. Was Heinz Behrenz und Gregoronow nebst Zanewskij als erste Aufgabe gestellt bekamen, nämlich Verbindungen zu suchen, fiel bei ibn Menra fort. Er kannte innerhalb von vier Stunden alle altspanischen Geschäfte Santa Fés, die sich wehrten, im Amerikanismus unterzugehen und treu zum alten Mutterland hielten, er wußte innerhalb sechs Stunden die Adressen spanischer Emigranten und einer Gruppe Männer, die Verbindung hatten zu Ingenieuren von Los Alamos. Er suchte spanische Wirtschaften auf, ließ sich bei einem spanischen Friseur rasieren und erfuhr
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