Agenten kennen kein Pardon
Times von dem kleinen Tisch, der neben dem Bett stand. Ein Postdienst, der genau kontrolliert wurde, brachte auch die neuen Illustrierten und Tageszeitungen mit.
Wie kann ich meinen Kurzwellenapparat nach Los Alamos bekommen, dachte er, während er ein Lesen der Zeitung vortäuschte. Und wo soll ich ihn hier, wo jeder Winkel bewacht wird, aufbauen? In den Werken ist es unmöglich, in den angrenzenden Cañons liegen die Truppen und die Polizei, und außerdem wäre es ein leichtes, den Sender dann anzupeilen, einen Sender, der wenige hundert Meter vom Funkhaus der Atomstadt entfernt japanische Meldungen funkt!
Er schaute auf seine Armbanduhr. Zweiundzwanzig Uhr dreißig. Jetzt hockt Dr. Hakanaki am Empfänger und sucht den Äther ab. Man wird in Nagoi nicht wissen, was eigentlich los ist mit dem Agenten Heinz Behrenz, Geheimnummer 12 B in den Listen der Militärs. Es muß doch einen Weg geben, den Sender, der in dem schweren Wagen außerhalb Santa Fés in den Hügelketten nahe Las Vegas steht, nach Los Alamos einzuschleppen. Die Zentrale in New York hatte alles pünktlich an die verabredeten Orte gebracht, nur er versagte jetzt, in einem Augenblick, wo es vielleicht um Stunden ging.
Unruhig erhob er sich und brannte sich eine Zigarette an. Ein Arbeiter vom Nebenbett gab ihm Feuer, als er sah, daß er vergeblich in seinen Taschen herumsuchte.
»Danke«, sagte Heinz Behrenz und bot dem Arbeiter eine Zigarette an. Der nickte und setzte sich auf sein knarrendes Bett. Es war ein älterer Mann mit vergilbten Gesichtszügen und einer roten Nase, die weniger wie die eines Trinkers aussah, sondern in einem kalten Winter erfroren sein mußte. Sein Anzug war sauber, aber alt und fadenscheinig. Ein Trauring an der Hand verriet, daß er hier arbeitete, um eine Familie zu ernähren.
»Wo arbeitest du?« fragte er Heinz Behrenz. »In der Strahlabteilung?«
»Nee. Ich bin Schlepper.«
»Block VI?«
»Hm.« Behrenz war vorsichtig und kroch in sich zusammen. Der Alte sog an seiner Zigarette und sah dem Rauch nach.
»Ist 'n komischer Dienst, was? War auch dabei, zuerst, vor zwei Jahren. Aber dann wurde ich zu schlapp und kehre jetzt die Säle aus und die Betonböden neben den Brennern. Immerhin ein Dollar die Stunde. Du kriegst mehr, was?«
»Ein Dollar fünfzig.«
»Ganz nett für 'n solch jungen Burschen wie dich. Als ich so alt war wie du, habe ich in Kanada Pelztiere gejagt, mit 'ner alten Flinte, deren Lauf wackelte, bei jedem Schuß … Menschenskind, und doch habe ich was geschossen und habe immer meinen Whisky bezahlt, droben in Big River im Paradies von Saskatchewan.« Er schaute die glimmende Spitze seiner Zigarette an und schnippte die Asche auf den Boden. »Bis zum großen Bärensee, über den nördlichen Polarkreis hinaus bin ich gewandert und habe Bären, Füchse, Hermeline und Silberottern geschossen. Und habe doch nie die Stunde einen Dollar fünfzig verdient. Hm …«
Heinz Behrenz faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den Tisch zurück. »Mit Atomen kann man was verdienen«, meinte er vorsichtig. »So eine Bombe, die ganze Städte wegschmilzt, ist schon was wert!«
»Bombe!« Der Alte machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was redet ihr Jungen immer von Bomben. Bei euch muß es immer krachen, sonst ist alles nichts wert. Ich habe mal gelesen, was der Chef, der Dr. Paerson, in einem Blatt geschrieben hat. Er will keine Bomben … er will mit der Atomforschung uns Menschen glücklich machen. Wie, das weiß ich auch nicht.« Er sah Heinz Behrenz an. »Kannst du glauben, daß man billiger leben wird, wenn man Mehl und Butter und Gemüse und Milch künstlich herstellen kann?«
»Ich weiß nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«
»Der Prof. Paerson schreibt es aber. Er will uns Menschen von der Sonne unabhängig machen, indem er eine neue, viel stärkere Sonne schafft. Das hat noch kein Mensch gewagt, mein Junge.«
»Und wenn diese Sonne explodiert, gibt es keine Welt und keine Menschen mehr.« Heinz Behrenz stockte. Wie ein Strahl plötzlich aus unbekannter Ferne ein Feuer entfacht, so fiel in sein Herz der Gedanke des großen Untergangs.
Ich bin ja hier, durchzuckte es ihn plötzlich, diesen Untergang zu fördern. Ich soll ja spionieren, damit nicht Amerika, sondern Japan der Staat ist, der es in der Hand hat, die Menschheit wegzufegen. Ich selbst, ich, der kleine Mensch Heinz Behrenz, bin ja mitschuldig an der Katastrophe, vor der sie zittern … draußen, die Mütter und Frauen und
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