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Agenten kennen kein Pardon

Agenten kennen kein Pardon

Titel: Agenten kennen kein Pardon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hund.
    Er hatte Angst um sein Leben.
    Zanewskij stand vor Mabel Paerson. Sie saß auf dem Klappstuhl und las ein Buch im Schein einer Öllampe. Als sie Zanewskij eintreten sah, legte sie es zur Seite.
    Stumm sah sie der Russe an. In seinem Blick lag Verzweiflung. Mabel erkannte sie, und grenzenlose Angst schnürte ihr plötzlich die Kehle zusammen.
    »Wie alt sind Sie?« fragte Zanewskij leise.
    »Einundzwanzig.« Sie würgte das Wort hervor.
    »Einundzwanzig Jahre. Meine Frau ist neunundzwanzig und hat schon drei Kinder. Der Älteste ist zehn Jahre, Terufina, das Kleinste, ist erst drei.« Er sah an die feuchte, Moder ausströmende Decke. »Können Sie sich denken, daß es einen Mann gibt, der ein dreijähriges Kind durch den Hinterkopf schießt?«
    Mabel Paerson schauderte zusammen. »Er kann kein Gefühl mehr haben.«
    »Gefühl!« Zanewskijs Mund wurde breit. Man wußte nicht, ob er lachte oder weinte. »In einer Pistole war noch nie Gefühl. Und ich liebe meine Frau und die Kinder.«
    »Das glaube ich.«
    »Ich liebe sie sehr. Mein ganzes Herz hängt an ihnen – darum habe ich kein Herz mehr für andere. Und jetzt wird man sie erschießen …«
    »Nein!« Mabel sprang auf. »Das kann man doch nicht.«
    »Man kann es, wenn man die Macht hat. Ein fremder Staat hat Doktor Bouth entführt –«, Mabel schwankte, aber das Bett hinderte sie, umzusinken, »– und weil es ein fremder Staat war und nicht ich, werden meine Frau und die kleinen Kinder sterben.« Zanewskijs Nase wurde spitz. »Ich habe den Befehl, auch Sie zu erschießen. Sofort.« Er sah Mabel groß an, mit seinem leeren Blick, in dem nichts mehr von Leben war. »Ich tue es nicht, Miß Paerson, weil ich nicht so sein will wie die Mörder, die meine Frau und meine Kinder morden.« Er legte die Hände ineinander. Es sah aus, als wolle er beten. »Wanda Feodora war eine gute Frau. Sie küßte mich jeden Abend, bevor sie das Licht ausdrehte und sagte: ›Träume von mir, Piotre.‹ Und ich antwortete: ›Ich sehe im Traum immer nur dich, Wandaschka.‹ Dann lachte sie, und mit diesem Lachen schlief sie ein. Und morgens, wenn die Sonne ins Zimmer schien, da tappten zwei nackte Füße durch den Flur. Die Klinke der Tür senkte sich, und Terufina kam herein. ›Papuschka‹ sagte sie mit ihrer hellen Stimme, ›Papuschka, darf ich zu dir kommen?‹ Und ich holte sie zu mir ins Bett und küßte sie auf die kalte Nasenspitze. Da lachte sie immer, und sie legte die Arme um meinen Hals und sagte: ›Papuschka … ich liebe dich so …‹ Und ich drückte sie an mich und streichelte über ihre weichen Haare. Sie waren wie Seide … wie Seide … meine Terufina …«
    Ein Schluchzen, ein weinender Schrei brach durch die verzogenen Lippen. Zanewskij fiel nach vorn auf den Boden. Wo sein Kopf lag, sickerte Blut hervor.
    Er rührte sich nicht mehr.
    Entsetzt prallte Mabel zurück. Dann sprang sie über die liegende Gestalt hinweg, rannte aus der Höhle, riß in der Außenhöhle den Gürtel, der mit den beiden Revolvern an der Tür hing, an sich und rannte dann weiter … durch die Schlucht, durch die Cañons, hetzte an einem Bach vorbei, durchwatete ihn, kletterte am Ufer einen steilen Pfad hinauf und rannte über das Hochplateau weiter.
    Ihr Atem flog. Ihre Füße wurden wund. Sie bluteten. Die Sohlen sprangen an den spitzen Steinen auf. Sie stieß sich das Knie wund, als sie einen Abhang hinabsprang. Das Blut lief ihr in die Schuhe und gerann an ihrem Bein in langen, breiten Streifen.
    Sie merkte es nicht. Sie spürte keinen Schmerz.
    Sie rannte … rannte … rannte …
    Berge, Schluchten, Flüsse, Täler, Abhänge …
    Ihre Füße schnellten nach vorn. Die blutigen Sohlen glitten über das Gestein. In ihrem eigenen Blut rutschte sie aus und fiel auf die frische Kniewunde. Der Stich, der durch ihren Körper jagte, war vergessen, als sie sich wieder aufrichtete und weiterrannte.
    Nicht umsehen … nicht rasten … nicht liegenbleiben.
    Sie warf den Kopf weit in den Nacken. Das Herz stach in der Brust … das Herz …
    Sie taumelte auf eine Straße. Eine Autostraße.
    Mit einem Schluchzen sank sie auf der Fahrbahn zusammen.
    Frei!
    Es gibt kein Wort, das größer ist als dieses.
    *
    Der himmelblaue Nash war von der Straße abgebogen und folgte einem schmalen, winkligen Weg, der durch das Gebirge dem White River zuführte.
    Es war Nacht. Tiefe, schwarze Nacht. Die Sperren waren durchbrochen. In diesen Seitentälern, über die holprigen Wege durch die Schluchten, hatte

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