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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sich aus allem heraushaltend und doch gierig nach dauernder Veränderung. Er bekam Freude an modischen Übertreibungen, einmal zeigte er mir stolz ein Paar Schuhe, ein auffälliges Budapester Modell , das er unter der Liege für besondere Anlässe bereithielt. Ich zog ihn damit auf, indem ich sie ein Paar Tanzschuhe nannte, doch er nickte nur bestätigend, knapp, als liege ich damit nicht einmal daneben.
    Was ging genau in ihm vor? Ich spürte, wie er mir fremd wurde, und doch gab es noch immer die Gespräche wie früher, das Einverständnis im Urteil, gerade da, wo es auf ein einziges Wort ankam, die ruhigen Momente, in denen ich sicher sein konnte, daß er ähnlich wahrnahm wie ich. Sein Leben war auf mir kaum erklärliche Weise in Fahrt gekommen, und mit dem Blick auf diese Beschleunigung kam ich mir wie ein chancenloser Außenseiter vor, der mit großem Trainingsrückstand hinterherhinkte. Ich aß nicht in italienischen Lokalen zu Mittag und kannte die Ober mit Namen; ich war nicht zu einem Meeting von Schauspielern eingeladen, bei dem es hoch hergegangen war; ich wußte nicht, wo man die Rheingauer Sektmarken fast für umsonst erhielt, weil Killes ein gutes Wort für einen eingelegt hatte; ich war nur ein seltener Gast, ich durfte teilnehmen für einige Stunden, gerade ein Wochenende war mir erlaubt, und für eine Fahrt zu den Schlössern des Rheingaus reichte nicht einmal das.

     
    Als ich an einem Freitagabend wieder einmal vor Bloks Haustür stand, rührte sich niemand. Ich schellte mehrmals, geduldig, er mochte eingeschlafen sein. Doch plötzlich öffnete sich das Fenster gerade neben dem seinen, und ich erkannte einen blonden Frauenkopf.
    »Sind Sie’s?« hörte ich.
    »Was?«
    »Meynard, der Steuermann?«
    »Ja, Meynard.«
    »Ich mache Ihnen auf.«
    Ich reimte mir schnell zusammen, daß es die Fachhochschulstudentin sein mußte. Blok hatte ihr also von mir erzählt, ohne mir gegenüber etwas davon zu erwähnen. War es soweit gekommen, daß er Geheimnisse vor mir hatte? Die Tür wurde geöffnet, und ich schlenderte langsam die Stufen hinauf. Blok war nicht da, er mochte Wichtigeres vorhaben, eine unaufschiebbare Verabredung oder dergleichen.
    Oben begrüßte mich der Blondschopf mit einem wissenden, überlegenen Lächeln. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, ein weiter Pullover, elegante Hosen, selbst die Schuhriemen hatten etwas Dezidiertes.
    »Der Dandy ist nicht da«, begann sie die Unterhaltung und wies auf die offene Tür zu ihrem Zimmer.
    »Sie nennen ihn einen Dandy?« fragte ich erstaunt und betrat den Raum. Er war Bloks Behausung zum Verwechseln ähnlich, doch fand sich an den Wänden kein einziger freier Platz. Hohe Regale waren mit kleinen Tonmodellen, Blumen und Büchern vollgestellt, es roch sonderbar, minzig dachte ich gleich, ohne daß ich damit etwas Genaues verbunden hätte.
    »Er ist ein raffinierter Bursche«, fuhr sie fort und schob mir
einen Stuhl zu. »Wer jeden zweiten Tag ins Kaiser-Friedrich-Bad geht, übertreibt es allerdings ein wenig.«
    »Wohin geht er?«
    »Ach, Sie kennen es nicht? Es ist ein römisch-irisches Bad, Jugendstil, mit Majolikakacheln.«
    »Jeden zweiten Tag geht er dahin?«
    »Na, sagen Sie mal, bin ich nun sein Freund oder sind Sie es?«
    »Kennen Sie ihn schon lange?«
    »Ich heiße Doris, ist das klar?«
    »Das hilft mir nicht weiter.«
    »Du bist so ein Rumbohrer, was? Du kommst her, stellst deine waschechten Rumbohrerfragen, und ich soll dir die
    Nachrichten melden.«
    »Ich komm allein zurecht, das kann ich dir sagen.«
    »Ja, allein! Genauso kommst du mir vor! Ich mach uns einen Tee.«
    Ich stand auf und ging zum Fenster. Es war mir unangenehm, von ihr erwischt worden zu sein. Ich hatte keine Lust, mich mit ihr zu unterhalten, und fragen, wo Blok sich aufhalte, konnte ich nicht. Sie setzte Wasser auf, und ich warf einen Blick auf die Tonmodelle.
    »Nimmst du Unterricht?« fragte ich weiter.
    »Ich gehe auf die Fachhochschule.«
    »Muß ja grauenhaft sein«, ließ ich mich nicht beirren, »Fachhochschulen stelle ich mir grauenhaft vor.«
    »Du mußt es ja wissen.«
    »Exakt«, sagte ich, »sowas weiß man exakt, ohne einen einzigen Blick reinzuwerfen. Fachhochschulen! Was bringen sie dir da bei? Zeichnen nach der Natur? Oder Aktstudien mit weichem Bleistift? Oder dieses Töpferkramen, ja, exakt, das erinnert an Fachhochschule.«

    »Sonst noch was?«
    »Ja«, fuhr ich fort, »es ist bestimmt eine Sache für sensitive Menschen, die gern mit den Händen

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