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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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arbeiten, die etwas formen wollen, kneten, basteln, so eine Art Bastelschule für Fortgeschrittene, stimmt’s?«
    »Begnadet, wie du es triffst!«
    »Ich stelle mir lauter wildgewordene Heimwerker und Töpferkünstler vor. Morgens beginnt der Unterricht mit einem Urschrei, dann wartet die weiße Leinwand auf Überwältigendes. Freie Übungen, ganz nach Gefühl, und dabei kommt dann etwas in Richtung Pollock heraus, stimmt’s, etwas, worin man später nach Akzenten sucht!«
    Sie goß das kochende Wasser in die Kanne, und sofort trieben die Teeblätter obenauf wie ein versumpfter morastiger Boden. Sie stellte uns zwei Tassen hin und schenkte ein, indem sie den Tee durch ein kleines Sieb filterte.
    »Ich arbeite in Richtung Design«, sagte sie, ohne unruhig zu werden.
    »Ah«, hielt ich weiter dagegen, »das ist es also. Da grübelt man über Inneneinrichtungen nach, was? Oder entwirft ein Teeservice, das in einem halben Jahr schon wieder überholt ist. Oder hat man mit dem öffentlichen Dienst zu tun? Ich könnte mir vorstellen, daß man Wochen damit verbringt, über das Design eines Postschalters nachzudenken.«
    »Du mußt ja ungeheuer rumgekommen sein«, antwortete sie, »du bist nicht so raffiniert wie dein Freund, aber du bist flink. Bietest du zu jedem Thema so eine Palette an, oder hältst du auch manchmal einfach den Mund?«
    »Kommt drauf an, mit wem ich zusammen bin. Ich bringe die Dinge erst einmal gern in Bewegung.«
    »Tüchtig! Schmeckt dir der Tee?«

    »Ich gewöhne mich gerade daran.«
    Sie ließ den Blick nicht von mir, und ich fragte mich, warum sie nicht endlich bissiger wurde. Wahrscheinlich verfügte sie über eine präzis arbeitende Optik, die alle Nuancen mitbekam. Ich war völlig nachlässig gekleidet. Ich trug ein Paar Jeans, das ich seit Wochen am Leib hatte, und das dunkelblaue Hemd hatte ich nur übergestreift, weil es auf dem Stapel obenauf gelegen hatte.
    »Du magst Blau?« fragte sie.
    »Ich liebe Blau«, antwortete ich, »ich kann mir ein Leben ohne Blau nicht vorstellen. Jeden Sommer fahre ich ans Meer, und an Regentagen gehe ich erst gar nicht vor die Tür. Ich bin süchtig nach Blau.«
    »Können wir auch ernst miteinander reden?«
    »Nein«, sagte ich, »ernst reden biete ich nur montags bis donnerstags an. Wenn ich mit jedem ernst reden sollte, der mir gerade über den Weg läuft, hielte ich das Leben nicht aus.«
    »Ich bin jetzt im zweiten Semester«, fing sie von neuem an, »das Studium gefällt mir. Es ist ein Experiment, nicht mehr. Ich habe mir zwei Jahre gegeben, um zu sehen, was dabei herauskommt. Und wenn ich dann noch nicht weiß, ob mir etwas gelingt, steige ich um.«
    »Die zwei Jahre würde ich mir sparen, um einmal ernsthaft über deine Tonmodelle zu reden.«
    »Nur ein Modell ist von mir, die anderen sind von Kommilitonen.«
    »Du meinst, es gibt nur Laien unter diesen Fachhochschulleuten? Kein einziges Genie, kein leuchtender Stern am Künstlerhimmel?«
    Sie stand auf und nahm aus einem Regal eine große Zeichenmappe. Sie legte sie vorsichtig wie ein Gebinde auf den
Tisch, setzte sich und trank einen Schluck Tee. Die Tasse behielt sie in beiden Händen und drehte sie langsam, als wolle sie etwas von der Wärme abbekommen.
    »Und da soll ich jetzt reinschauen?«
    »Ja, du bist doch der Kenner. Unbestechlich, sicher, einfach top. Ich will wissen, wie du es findest.«
    Ich nahm die Mappe mit leichtem Widerwillen auf den Schoß, schnürte sie auf und ging die Zeichnungen durch. Es war eine Serie, immer dieselben Komponenten kamen darin vor, dunkle, an den Rändern zerlaufende Dreiecke, die von feinen Linien wie von Speeren gehalten oder getroffen wurden. In ihrer Folge hatten sie etwas Manisches, und solch eine Manie machte einen sofort stumm.
    »Kannst du damit etwas anfangen?« drängte sie.
    »Hör mal zu«, wich ich aus, »ich bin kein Galerienbesucher, und solche Fragen würgen erst recht alles ab.«
    »Ich sag ja«, gab sie zurück, »du bist weit rumgekommen, das erklärt deine Höflichkeit.«
    »Genau, Höflichkeit ist mein verborgenes Laster. Da bin ich verwundbar. Und deshalb sage ich dir: die Bilder sind gut. Ich würde noch ein Jahr riskieren, fürs Erste.«
    Sie schaute mich wieder ruhig an, als wolle sie ihren Blikken Nachdruck verleihen. Es war mir nicht recht, vor ihr diese Rolle durchzuhalten. Ich sprach mit ihr und war in Gedanken schon draußen.
    Sie nahm die Mappe und verstaute sie umständlich an ihrem alten Platz. All diese Bewegungen machten

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