Agenten - Roman
mich auf die Dauer nervös, sie hätte längst gespürt haben müssen, wie es um mich stand.
»Was machen wir jetzt?« fragte ich.
»Du bist schlecht aufgelegt«, antwortete sie, »und du willst
dich nicht anstrengen. Was soll ich schon mit dir anfangen?«
»Du könntest mir sagen, ob Blok eine Andeutung gemacht hat, wann er zurückkommt.«
»Das könnte ich, ja«, sagte sie lustlos. Sie stand wieder auf und kam mit einem Brief zurück.
»Der ist für dich«, erklärte sie.
»Der ist von Blok? Und du hältst mich die ganze Zeit hin? Macht dir das Spaß, die Leute herauszufordern?«
Sie antwortete nicht, sondern schaute mir wieder andächtig zu, wie ich den Umschlag mit dem ausgestreckten Zeigefinger auftrennte. Blok hatte einen kleinen Zettel hineingetan.
»Ich habe einen Auftritt im Savoy. Komm doch mal hin«, sagte sie, während ich ihre Worte gleichzeitig vom Zettel ablas.
»Du bist eine Seltenheit«, sagte ich, »sowas muß man ja schätzen.«
Ich erhob mich, steckte den Zettel in die Tasche, trank im Stehen noch einen Schluck Tee und ging zur Tür. Sie blieb sitzen und rührte sich nicht. Ich öffnete die Tür und drehte mich noch einmal um.
»Danke für den Tee«, sagte ich.
»Na sowas«, antwortete sie, »du bist wirklich flink.«
Das Savoy war eines der teuersten Hotels in der Stadt. Es lag in der Nähe des Kurparks, ein unübersichtlicher, verzweigter Bau mit einer imponierenden Fassade aus dem vorigen Jahrhundert. Das Vestibül war durch dunkel marmorierte Säulen unterteilt, und in der sich anschließenden Halle warteten die Pagen in einer kleinen Gruppe auf die abendlichen Gäste. Ich warf einen Blick in den Teeraum, dort war es ganz still,
die Fenster waren behutsam verdunkelt, gerade so, daß man noch ahnen konnte, wie hell es draußen war. Ich ging langsam zurück und fragte den Mann am Empfang, ob das Restaurant schon geöffnet sei. »Nein, junger Herr«, erhielt ich zur Antwort, »nehmen Sie doch vorerst mit unserer Hotelbar vorlieb.«
Um die Bar zu erreichen, mußte man einen schmalen gewundenen Gang entlanggehen. Auch hier war es eigentümlich still, und ich konnte mir nicht vorstellen, daß hier jemals ein Gast ein lautes Wort hatte hören lassen. Die Bar war sehr geräumig, ein rechteckiger, fensterloser Raum mit hellen, bequemen Korbsesseln. Ich blieb in der Tür stehen, als ich Blok erkannte. Er lehnte an der Theke und trug eine schwarze Kellnergarderobe; er hatte die rechte Hand lässig in die Hosentasche gesteckt, während der gewinkelte linke Arm ein Serviertuch hielt. Der Anblick war überraschend, es war, als hätte ich nur eine Kopie Bloks vor mir, eine gekonnt schauspielernde Gestalt, die sich Mühe gab, ihn in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Doch dieser Eindruck mochte noch von anderen Veränderungen herrühren. Blok hatte sich das dichte Haar schneiden lassen, er trug es nun wieder ganz kurz, geschmeidig, leicht glänzend. Ich glaubte sein altes Bubengesicht wieder vor mir zu haben, die kurzen Haare weckten diese Erinnerung, doch nun sah ich gleichzeitig eine leichte Spur des Gealtertseins, eine ungewohnte Strenge, als habe ein plötzlicher Schock dieses Kinderantlitz zum Erstarren gebracht.
Blok kam auf mich zu, und er zeigte kaum eine Reaktion.
»Ich dachte schon, du kommst nicht mehr«, sagte er gedämpft.
»Ja«, erwiderte ich, »ich hatte eine Fachhochschulprüfung zu bestehen.«
»Ich habe noch anderthalb Stunden hier zu tun«, sagte Blok, »willst du hier warten? Du kannst auf meine Kosten trinken, aber bitte nicht an der Theke.«
»In Ordnung«, erwiderte ich, »ich nehme einen Campari Soda.«
Ich setzte mich an einen Ecktisch und beobachtete, wie er ruhig zur Theke zurückging und die Bestellung an den Mixer weitergab. Es war nicht viel Betrieb in der Bar, zwei Männer unterhielten sich an der Theke, und an einem Tisch saß eine ältere, bereits für eine abendliche Veranstaltung gekleidete Frau, die die Karte studierte. Blok wartete ruhig, mit dem Rücken zu mir, dann brachte er das Getränk.
»So«, sagte er, »mit besonders viel Campari.«
»Darfst du dich zu mir setzen?«
»Na, hör mal, wo sind wir? Die Unterhaltung mit dem Gast muß knapp, sachlich und vor allem verständnisvoll geführt werden.«
»Es geht mir gut, mach dir keine Sorgen. Wie lange arbeitest du schon hier?«
»Seit drei Tagen. Blümchen hat mir den Job vermittelt, sein Onkel steht an der Rezeption. Es ist ein guter Job, ruhig, mit wenig Aufwand zu bewältigen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher