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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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arbeite nur am frühen Abend, wenn das Restaurant öffnet, kommt ein Kollege.«
    »Brauchst du etwa Geld?«
    »Ja«, sagte Blok und ging wieder zur Theke zurück. Ich nippte an meinem Glas und lehnte mich in dem aufknarrenden Sessel zurück. Es paßte mir nicht, so von ihm auf Distanz gehalten zu werden. Er hielt die Regeln der Schauspielkunst ein, er war ein unauffälliger Statist, der sich um keinen Preis etwas zuschulden kommen lassen wollte. Der Campari beruhigte mich etwas, und ich musterte den Raum genauer. Es war
eine vornehme Herren-Enklave, ein Platz, um sich stilbewußt zurückzuziehen.
    »Herr Ober!« bestellte ich Blok in meine Nähe. Er reagierte sofort und kam zu mir.
    »Was gibt’s?«
    »Herr Ober, ich bin es gewohnt, den Campari durch eine hauchdünne Limonenscheibe zu veredeln.«
    »Wir können uns auch später anderswo treffen.«
    »Ist es erlaubt, sich mit Gästen zu verabreden? In Oben-ohne-Bars wird das mit Rausschmiß geahndet.«
    »Hat dir Doris diese Spritzigkeit eingeimpft?«
    »Ich habe mich gut mir ihr unterhalten. Ich ahnte gar nicht, daß du sie schon länger kennst. Aber sie spricht sehr wohlwollend von dir.«
    »Ich habe sie heute zum ersten Mal gesehen, ich hörte, daß sie nebenan war, und bat sie, dir zu öffnen und dir die Nachricht zu geben.«
    »Das hat sie getan, und sie kannte den Text sogar auswendig, so gut hattest du sie präpariert.«
    »Sie hat das Kuvert geöffnet?«
    »Sie hat es geöffnet und mit ihren geschickten Fachhochschulfingern wieder verschlossen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Macht nichts, Kellner sollten, was ihre Gäste betrifft, erst gar keinen Glauben entwickeln. Staubst du sie ab, wenn sie gehen? Und die Betrunkenen, mußt du sie raustragen?«
    »Sie haben mich genommen, weil ich gut Englisch spreche, das ist alles.«
    »Ich verstehe. Und diesen rasanten Fashion-Haarschnitt haben sie gleich mitbezahlt?«

    »Er steht mir einfach besser.«
    »Finde ich auch. Er verleiht dir eine düstere Eleganz, man wittert den Wüstling hinter der Maske.«
    »Was ist denn mir dir?«
    »Nichts. Ich komme heute weit rum, das ist es, ich komme immer weiter rum, so daß ich sagen würde: Herr Ober, ein Glas Sekt!«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Warum wollen mir alle heute den Ernst absprechen?«
    »Was?«
    »Soll ich mich auf Diskussionen mit Ihnen einlassen, Herr Ober? Ich verlangte ein Glas Sekt!«
    »Welche Marke?«
    »Was schütten Sie denn hier so in die Runde?«
    »Ich hole dir die Karte.«
    Er war froh, sich wieder von mir lösen zu können. Er ließ sich die Karte geben und legte sie mir schweigend neben das Glas. Ich fand es noch immer unangenehm, ihm so zuschauen zu müssen. Er sprach leise mit dem Mixer und ging zu der älteren Dame, um sie nach ihren Wünschen zu fragen. Er nickte und antwortete mit verhaltener Stimme so prompt, als sei er es schon immer so gewohnt. Ich winkte ihn wieder herbei.
    »Ich nehme MM , Herr Ober, wo wir uns doch dem Rheingaue so nahe wissen.«
    Er schüttelte indigniert den Kopf und verschwand. Es dauerte jetzt eine Weile, bis er mich bediente, und ich hatte Zeit, mir vorzustellen, wie er diese frühen Abende hier in Zukunft verbringen würde. Man würde ihn bald mögen, da war ich mir sicher; er machte Eindruck in seiner straff sitzenden Garderobe, ein schlanker, alerter Boy , der sich außerdem noch zu behaupten wußte. Seine Gelassenheit verlieh ihm eine Aura
von Erfahrung, darauf reagierte jeder, der gutes Leben zu schätzen wußte.
    »Du wirst hier zum Star werden«, sagte ich, als er zurückkam. »Es ist mir gerade durch den Kopf gegangen. Du hast alle Chancen für eine Hotelkarriere.«
    »Ich brauche Geld«, antwortete er.
    »Verstehe ich nicht«, sagte ich und trank das Glas in einem Zug leer, »Frankie zahlt doch nicht schlecht, wie du mir einmal gesagt hast. Wieso reicht es denn nicht?«
    »Ich gehe viel aus, und ich habe keine Lust, jeden Abend vor ein paar Gläsern Bier zu sitzen.«
    »Ach so, Bier ist dir nicht mehr gut genug? Jetzt verstehe ich. Du trinkst Champagner, ja? Du versuchst, mit den faulen Buben mitzuhalten?«
    »Mithalten wäre nicht genug, Meynard«, sagte er deutlich und wendete sich wieder ab. Er ließ mir keine Zeit für weiteres Erstaunen, sondern kam schnell mit einem zweiten Glas Sekt zurück. Der Raum füllte sich langsam, es war die Stunde der Einzelgänger, die sich für den Abend lockerten und jetzt nicht mehr ohne Gespräche auskamen. Kannten sie sich oder verstanden sie sich blind? Die meisten

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