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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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studiert Medizin, er redet seit Jahren davon, darauf plant der sich hin. So müßte es sein, ein klarer Wille, und dann hat sich das Grübeln.«

    »Paul ist doch kein Vorbild.«
    »Natürlich ist er das nicht. Aber er wirkt so entschieden, daß es allen imponiert. Das macht einen ganz sprachlos, diese Selbstsicherheit, und manchmal werde ich wütend, wenn ich denke, der run auf die besten Studienplätze ist doch längst entschieden. Daran will man überhaupt nicht beteiligt sein, an dieser eitlen Konkurrenz, am besten, man liefe außen herum, wenn es das gäbe.«
    »Eben. Außen herum. Die Zeit beim Bund ist außen herum.«
    Wir kamen nur langsam voran, und es herrschte eine tiefe Ruhe, wie nach einer plötzlichen Katastrophe. Wir konnten nicht mehr von der Straße abbiegen, der Schnee auf den Feldern lag zu hoch. Walter ließ nicht locker, und wir gingen stundenlang über die weite Hochebene, das Treiben machte uns nichts. Wir erreichten ein Dorf und wollten uns mit einem Glühwein aufwärmen, doch der einzige Gasthof lag wie erfroren unter der großen Last. Die Schneedecke ragte bedrohlich weit über das Dach, und die Tür war von weißen Striemen gezeichnet. Auf dem Rückweg hörte das Treiben allmählich auf, und ein scharfer Wind schlug uns entgegen.
     
    Ich tat mich schwer, denn ich kam in meinen Überlegungen nicht voran. Am liebsten hätte ich irgendwen um ein halbes Jahr Bedenkzeit gebeten, und dann wäre ich mit der Erlaubnis dieses Unbekannten zu einem fernen Ziel verschwunden; doch genau genommen konnte ich mir nicht einmal vorstellen, jetzt zu verreisen, denn auch die abwechslungsreichste Reise hätte mich nicht beruhigt oder klüger gemacht. Ich stand vor einer Entscheidung, und am liebsten hätte ich nur freundlich gepaßt.

    Ein wenig beneidete ich Sarah; sie hatte ihr Fach längst gefunden und lebte darin bereits so passioniert, daß ihr das Studium nur wie eine geradlinige Fortsetzung ihres bisherigen Lebens erscheinen würde. Jeder wußte, sie wollte Biologie studieren, und wenn sie davon sprach, konnte man glauben, sie habe sich schon jetzt ganz der Forschung verschrieben. Das Studium würde sie ausfüllen , so nannte man es, und sie setzte dem noch eins drauf, indem sie mit dem Nebenfach Philosophie kokettierte. Das Thema Philosophie degradierte sie so zu einer amüsanten Entspannung, sie kam mit solch feinen Andeutungen aus, die schärfer wirkten als jeder ausgesprochene Satz. Nebenfächer hatten den Stallgeruch zweifelhafter, wenig hilfreicher Beschäftigungen, und wer nur ein wenig Vernunft besaß, mußte ohne jedes Nachdenken bestätigen, daß gerade Philosophie ein ausgesprochenes Nebenfach war. Wer wagte es schon, sich mit einem solchen Fach ernsthaft zu schmükken und zu behaupten, er studiere im Hauptfach Philosophie? Und doch hatte ich natürlich auch daran zu denken gewagt, denn dieses Fach hütete in meinen Augen immerhin noch von der Schule unangetastete Themen. Und es kam darauf an, fürs Erste allem Schulischen zu entkommen, nichts sollte mich in baldiger Zukunft noch an diese finsteren Jahre erinnern. Deshalb war es ausgeschlossen, Schulfächer zu Studienfächern zu machen, selbst als Nebenfächer wollte ich sie nicht mehr erleben.
    Die meisten Mitschüler dachten darin wie ich. Geographie, Germanistik und das übliche Quantum Psychologie, das waren die Kombinationen von früher. Inzwischen hatten sie jedoch etwas Abgelebtes, Verbrauchtes, und niemand wollte sich später gern sagen lassen, er habe sich leider schon beim Start in die hinterste Reihe gestellt. Ein Abschluß in diesen
Fächern lohnte sich nicht, da wußte jeder Bescheid, und wer sich trotzdem für sie interessierte, würde sie nebenher betreiben, ohne deswegen in ihren klappernden Mühlen zu altern.
    Medizin und Juristerei – die machten das Rennen, aber schon die Berufsbezeichnung Zahnarzt brachte mich höchstens zum Grinsen. Und dennoch gab es unter meinen Mitschülern zwei, die es fertigbrachten, dieses Wort gut gelaunt bei der Frage nach ihrem Berufsziel zu nennen. Andere, die es bei der einfältigeren Angabe Arzt beließen, machten sich daneben gleich ein wenig verdächtig, noch etwas zu schwanken. Diejenigen aber, die es mit Juristerei versuchten, ersparten sich alle Fragen nach einem Beruf; jedermann ahnte, hier wurden Karrieren geplant, und so gab auch ich diese Antwort, obwohl nichts mich dazu gebracht hätte, Vaters ausgetretenen Spuren zu folgen. Am liebsten jedoch hätte ich mit etwas Klingendem,

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