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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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klopfte mich ab, und wie er mich so abhorchte, betastete und vorführte, kam es mir vor wie beim Sport, und prompt fragt mich der Teufel danach, und ich sage ihm stolz, ja, ich treibe viel Sport. Der war völlig begeistert, und was soll ich dir sagen, ich war es auch , schließlich ist es die Wahrheit, ich habe die ganzen Jahre gerackert, man wird anspruchsvoll, wenn man Sport treibt. Und da sollte ich noch mit meinen Papieren ankommen und etwas von Herzinsuffizienzen erzählen? Das wäre allem glatt zuwidergelaufen, ich war der Champion unter all diesen Flaschen, verstehst du, ich war es wahrhaftig, sollte ich mich dafür etwa entschuldigen? Und das Papier über Vaters Verletzung, das galt für mich dann nicht mehr, schließlich waren es Kriegsgeschichten, und ich stand da im besten Frieden mit meinen zwei kraftstrotzenden Beinen, und die zeigten doch klar, hier gibt’s kein Zurück. Vergiß den Papierkram, dachte ich mir, du bist stark genug, die Monate durchzustehen, das wird abgehen wie Sport, und am Ende bist du der Sieger.«
    »Das heißt, du stellst keinen Antrag auf Ersatzdienst?«
    »Ausgeschlossen, entweder – oder! Ersatzdienst ! Was ist das überhaupt für ein Wort? Meinst du, ich laß mich in ein Altenheim stecken, oder ich arbeite monatelang mit Sozialpädagogen zusammen, die sich auf ihre Dumpfheit noch etwas einbilden?«
    »Meinst du, das Kasernenleben wird besser?«

    »Nein, wird es nicht. Aber ich komme viel raus an die Luft, und der Kopf bleibt frei. Glaub mir, ich weiß, was für mich das Beste ist, und dazu gehört, daß ich weiß, wo ich es aushalte und wo nicht. Und du, wie hast du es geschafft, dran vorbeizukommen?«
    »Frankie hat sich für Blok und mich ins Zeug gelegt. Angeblich war ich seit Jahren bei ihm in Behandlung, wegen eines Wirbelsäulenschadens. Ich hatte eine dicke Mappe mit Röntgenbildern dabei und einen ausführlichen Bericht, sie haben das alles nur überflogen.«
    »Und diese Tour ist gleich zweimal gelaufen?«
    »In etwa, Blok hat einen Flecken auf der Lunge, so etwas diffus Schattiges, sie haben es ohne langes Fragen geschluckt.«
    »Diffus schattig, typisch Blok. Kellnert er immer noch im Savoy ?«
    »Er ist unentbehrlich geworden. Es gibt Piloten von amerikanischen Fluglinien, die kommen extra von Frankfurt rüber, um von ihm ein paar Tips zu bekommen.«
    »Welche Tips?«
    »Blok ist Spezialist, verstehst du? Er sagt dir genau, wo du dein Geld am gescheitesten ausgibst. Er bekommt horrende Trinkgelder für seine Informationen, und er managt das alles mit seiner stoischen Miene, ohne sich in die Karten sehen zu lassen.«
    »Aus dem ist schon etwas geworden, wie?«
    »Das meiste verdankt er seinem guten Gedächtnis. Er behält die Namen der Gäste im Kopf, und er merkt sich genau, was sie trinken. Außerdem ist er auf Englisch jetzt so gut programmiert, als sei er mit griffigen Wendungen wie it looks appetizing groß geworden.«
    »Ich könnte das nicht, so um die Leute scharwenzeln.«

    »Ich auch nicht, aber ich denke mir oft, er betreibt es als Training.«
    »Training wofür?«
    »Das frage ich mich auch. Vielleicht weiß er es selbst nicht genau. Ich glaube, er erprobt einen Stil.«
    Das Schneetreiben hatte wieder begonnen, und die Flokken fielen so dicht, daß man es aufgab, in die Ferne zu schauen. Die Drähte der Überlandleitungen knisterten und hingen durch wie beschwerte Wäscheleinen, um die weiße Hemdfetzen flogen. Die kleinen Wege für die Traktoren waren hier und da ein Stück freigeschaufelt worden, und die Wegkreuze und Bänke traten nur silhouettenhaft aus den Fluten hervor. Die Wälder erschienen jetzt wie verschlossen, unbegehbare, stille Bezirke. Der Schnee fiel aus dunklen, tiefliegenden Wolken.
    »Und was wird aus dir?« fragte Walter.
    »Das ist die Frage. Ich mache mir auch meine Gedanken, doch ich komme nicht weiter damit. Ich denke nicht ans Studieren, sowas regt keine Wünsche in mir, und doch wird nichts anderes bleiben. Und dann, welche Fächer? Ich bin nicht so weit, an ein bestimmtes Wissen zu glauben, ich müßte mich zwingen, und was gibt das schon her? Klar, ich frage mich auch, wozu bist du geeignet? Und ich sage mir triumphierend: zu nichts! Und warum sage ich das? Weil ich denke, bleibt mir vom Leib, ich brauche Zeit, niemand mischt sich da ein. Doch dann kommt Vater und meint, laßt ihn in Ruhe, er wird es schon packen, und ich könnte verrückt werden bei soviel Nachsicht. Ich weiß ja selbst, die anderen sind weiter, Paul

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