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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Stoff , doch er wich aus, wenn man darauf zu sprechen kam, und beendete das Thema mit einigen flapsigen Bemerkungen. Er hielt sich nie lange an einem Ort auf, nur bei mir machte er Ausnahmen. Manchmal kam es mir so vor, als betrachte er mich wie ein fremdes Geschöpf, das ihm nicht ganz geheuer war, denn sein Blick konnte oft so erstaunen, als hätte ich ihm gerade eine einzigartige, zuvor nie gehörte Botschaft übermittelt. Doch es mochte auch daran liegen, daß er nicht gewohnt war, auf Formulierungen zu achten, und die Art, wie ich mit der Sprache umging, machte ihn auf Dinge aufmerksam, die er vielleicht selbst so empfunden, jedoch niemals deutlicher wahrgenommen hatte. Ich bemerkte sofort, wenn ein solcher Augenblick gekommen war; Männie wirkte dann angespannt, hypernervös, und erst meine von ihm heftig eingeforderten Erklärungen beruhigten ihn langsam und stellten sein Vertrauen in die Umwelt wieder her.
    »Was Neues im Sektor Anmache?« fragte er.
    »Die Bekanntschaftsanzeigen liegen da drüben, der große Stapel neben den Leserbriefen«, sagte ich.

    Er setzte sich seitlich auf den Schreibtisch und ging die Anzeigen durch. Manchmal lachte er auf.
    »Hör dir das an! Tiefseetaucher sucht Freundin, um mit ihr auf den Grund des Meeres zu gehen. Wie findest du das?«
    »Miserabel! Völlig daneben!«
    »Wieso? Der gibt sich wenigstens Mühe.«
    »Das schon, aber zuviel. Er will originell sein, aber ich wette, auf sowas reagiert niemand.«
    »Warum nicht?«
    »Es wirkt zu dämlich. Es ist halbpoetisch und platt, eine üble Mixtur, an den Phantasien vorbei.«
    »Findest du die poetischen besser?«
    »Es geht um den Zweck, was soll so ein Text, wenn er seinen Zweck nicht erfüllt? Die poetischen sind verlogen, aber sie heizen die Gefühle an. Da entscheidet jedes kleine Signal.«
    »Meinst du sowas? Ich glaube an die Liebe, die mehr ist als ein Spiel, ich glaube an Zärtlichkeit und  …«
    »Bitte hör auf.«
    »Ist dir nicht poetisch genug?«
    »Das hat der morgens nach dem Frühstück geschrieben, wahrscheinlich im Liegen, mit dem Block auf den Knien.«
    »Aber es zieht.«
    »Auch nicht, niemals! Zu fest auf die Tube gedrückt, zuviel Schmus! Wenn er ernst sein will, muß er mehr investieren. Reizen tun nur die guten Details.«
    »Die solche Anzeigen schreiben, verstecken sich doch alle.«
    »Ja, aber es ist ein Spiel mit dem Versteck, du mußt das Wesentliche andeuten können. Ich glaube an  … ist plump und billig. Niemand will zuerst wissen, woran der andere glaubt. Das ist ein Griff in die unterste Schublade.«
    »Was sollte denn wesentlicher sein?«

    »Das Selbstporträt, am besten witzig, aber treffend, man muß zumindest den halben Typen vor sich sehen.«
    »Die Frauen haben es leichter.«
    »Ja, und weil sie das wissen, schreiben sie die besseren Texte. Mädchen (25), mit viel Hirn und wenig Sinn für Romantik, sucht bartlosen Liebhaber. Da stimmt alles.«
    »Mann, du kannst es ja auswendig!«
    »Die besten Texte merke ich mir.«
    »Am Ende sind sie von dir.«
    »Wäre nicht auszuschließen. Aber gib zu, daß der Text etwas Klassisches hat.«
    »Warum denn klassisch?«
    »Erstens, er bedient die Phantasie, zweitens, er kokettiert ziemlich frech.«
    »Wieso?«
    »Mädchen ! Welche fünfundzwanzigjährige Frau wird sich so anreden lassen?«
    »Stimmt! Ziemlich dreist.«
    »Drittens, er funkt gegen den Strich. Wenig Sinn für Romantik ist wohltuend sachlich. Und schon bestätigt der Stil die Meldung.«
    »Wer bestätigt was?«
    »Der Stil demonstriert, was gesagt werden soll.«
    »Und was will die kluge Frau uns sagen?«
    »Gewonnen, sie hat schon gewonnen!«
    »Wieso? Also was ist jetzt?«
    »Sie will sagen, daß sie anspruchsvoll ist und sich für klug hält, und du hast es ihr eben bestätigt.«
    »Dann soll sie’s doch sagen.«
    »Männie, wer wird sowas sagen? Es wirkt arrogant und schreckt ab. Außerdem ist es zu kühl.«

    »Ich denke, die Frau steht auf kühl.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Nicht? Also raus jetzt damit!«
    »Sie sucht weder einen Begleiter noch einen Freund noch einen Kumpel.«
    »Sondern einen Liebhaber , ich weiß. Und was meldet uns das?«
    »Sinnlichkeit, Ansprüche an die Sinnlichkeit.«
    »He, da wird man ja neugierig.«
    »Sage ich doch. Jedes Wort bewußt gewählt, jedes Wort ein Treffer, mit einem feinen Sinn für Nuancen.«
    »Zeig mir mal die Adresse!«
    »Ich denke nicht dran. Am Ende spannst du sie mir noch aus. Aber im Ernst, ich würde sie auch gern mal

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