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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gehn sollen, du verbreitest den großen Wiesbaden-Zauber! Und damit machst du dein reifes Kapital. Du legst es nicht an, nein, höchstens zwanzig Prozent, du setzt weiter auf Zero. Und die Kugel rollt an deinen Schreibtischen! Weinläden mit diesen aufgepepten französischen Marken! Sekt aus dem Rheingau, handgerüttelt, mit Schloßetikett! Und daneben die quicken Transporte, Fisch aus Paris, Käse aus Oberitalien, nachts hin, morgens stehen die Wagen schon vor den Restaurants, alles vom Feinsten! Das sind Geschäfte! Abstaubergeschäfte, schnelle Tore, und du sitzt in deinem Büro und schnappst die Fliegen mit der Klatsche, zack, einen Tausender mehr, und wen schmieren wir damit für eine neue Konzession? Ich bin ein Spion, bitte, wenn du so willst, aber dann bin ich ein guter!«
    Lautner hatte aufgehört, sich auf der Stelle zu bewegen. Er nahm eine Sonnenbrille aus der Tasche und stülpte sie mit dem raschen Griff einer Hand über die Augen. Er holte tief Luft und fragte mich stumm, durch einen Wink mit der Flasche, ob ich noch ein Glas trinken wollte. Ich hielt ihm meins hin, und er schenkte ein, langsam, ohne zu zittern.
    »Gut«, sagte er gedehnt, »das wäre jetzt klar, die Bestände wären jetzt klar. Ich hab dich jetzt besser im Blick, das kannst du mir glauben! Du besitzt ein kleines, winziges Kapital, aber ich verbürge mich nicht, daß du weiterkommst damit.«
    »Und das wäre?«
    »Du hast eine Schreibe im Kopf.«

    »Welche Schreibe?«
    »Welche weiß ich noch nicht. Aber du hast ein paar Treffer gelandet, die sitzen. Man geht nicht zu Boden, aber man nimmt die Fäuste wenigstens hoch. Man kann dich nicht ausrechnen, das ist etwas wert. Wenn man dich rempelt, drehst du schon durch. Du hast deinen Blick, sonst nichts, soviel habe ich raus. Und du suchst einen Job.«
    »Verdammt, Lautner, laß mich allein!«
    »Du suchst einen Job, wo was läuft. Erste Intensitäten, kleine Kontakte, da, wo andre ins Stolpern geraten. Mit spitzen Fingern dabei sein, eine Sache gerade noch halten. Nichts, wo man physisch angreifen muß, meinen Fisch brächtest du nicht einmal pünktlich aus Frankreich hierher! Etwas Schmaleres, wo das Auge genügt. Du suchst einen Job.«
    »Also dann gehe ich!«
    »Moment mal, davon hat keiner geredet, niemand will dich raussetzen, und ich wär der Letzte, der sowas tut. Du bist ein Spion, und du sagst, du bist ein guter Spion. Also das! Und du hast ein kleines, winziges Kapital. An Blok darf man dich nicht messen, deshalb ist der auch heute nicht hier. Du bist einsetzbar, denke ich, du wartest die ganze Zeit auf deinen Einsatz.«
    »Soweit wären wir also.«
    »Gut, ja. Ein präzises Angebot?«
    »Hunde führe ich nicht aus.«
    »Halt die Klappe! Ich habe etwas für dich, etwas für den Übergang. Du bekommst monatlich einen Tausender, nicht mehr, und du arbeitest jeden Tag von zehn bis fünfzehn in der Redaktion. Du gehst jeden Artikel durch, jede noch so unbedarfte Zeile für die, die nicht wissen, wohin mit der Pisse. Du korrigierst den ganzen Kram, den die anderen schreiben,
einschließlich des Textes im Anzeigenbereich, Nummer auf Nummer. Und du selbst schreibst mir kein einziges Wort, du fabrizierst nichts hinein, du bist völlig da draußen! Ich stelle dich an als Korrektor, das ist die unterste Stufe, aber für Spione ist es eine ergiebige Basis.«
    Ich wartete einen Moment und blickte ihn genauer an, so lang wie ich konnte, ohne wegschauen zu müssen. Er nahm seine Brille wieder ab, und das Bild, das wir stellten, erinnerte mich an eine Szene vor Jahren in einer Turnhalle. Das Seil schaukelte hin und her, und ich hätte abspringen können. Ich trank mein Glas aus und machte eine knappe Bewegung, mir noch einmal nachzuschenken. Lautner senkte die Flasche zu meinem Glas, und der Sekt floß hinein, immer mehr, er leerte die ganze Flasche, doch ich schaute nicht hin, als die Flüssigkeit über meine Hand lief und auf den Boden tropfte.
    »Einverstanden«, sagte ich dann, »darauf trinken wir einen!«
     
    Monate später saß ich in einem der kleinen Büroräume von Wiesbaden live ; sie lagen schon etwas außerhalb der Innenstadt, in einem alten schäbigen Bau an einer langen Ausfahrtstraße, auf der man zum Rhein kommt. Die Sommerhitze staute sich in den beengten Zimmern, und man konnte die Fenster nicht öffnen, weil der Verkehrslärm zu stark war. Ich hatte viel damit zu tun, den anfallenden Kruscht zu ordnen, niemand fühlte sich zuständig für solche lästigen Aufgaben, und ich

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