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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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jemandem etwas Böses zu tun. Es war eine ruhige Zeit, ja, ich sagte es schon, und doch fühlte ich mich manchmal kurz vor dem Zerplatzen. Zugreifen !, sagte ich mir, aber nichts lockte. Ich glaubte mich stillgelegt, ausmanövriert. Das Zusammenleben mit einem anderen Menschen kann leicht etwas Trügerisches bekommen, wenn man sich selbst dabei vergißt. Doris gestaltete seit neuestem Gartenräume und sprach verdächtig häufig von kleinen runden Inseln aus Stein oder dunklen Runen aus Lehm Auch ich mochte begrünte Innenhöfe mit Teichanlagen, japanisch inspiriert nach den Lehren des Zen; lieber jedoch wären mir Explosionen gewesen, turbodynamische, ohne daß ich an Autos gedacht hätte.
    Dann aber kamen diese alles verändernden Tage, und es war später Frühling, und ich hatte kaum noch Reserven.
     
    Morgens gegen elf rief Lautner mich an. Ich machte mich auf einen seiner Anfälle gefaßt, doch diesmal klang seine Stimme ruhig, fast gesittet.
    »Hallo champ , wie sind wir in Form?«
    »Könnte nicht besser sein.«
    »Gut, hör ich gern. Paß auf, champ , ich hab was für dich. Es gibt da einen neuen Star im Theater, Linda Francis, Schauspielerin, Allroundtalent. Spielt alle an die Wand, zutiefst expressiv, ist das klar?«
    »Ich hab verstanden.«
    »Du schreibst mir ein Porträt. Du gehst hin, morgen Mittag um zwölf, und du quetschst sie aus, nach allen Regeln der Kunst. Du bist angemeldet, sie weiß, daß du kommst. Du blätterst sie durch, Seite für Seite, ich will einen messerscharfen Bericht, kein Blabla.«

    »Lautner, was ist denn in dich gefahren? Das ist gegen die Abmachung.«
    »Spar dir den Kommentar, ist eh Zeitverschwendung. Du machst etwas vom Feinsten daraus, vollauf subtil, wird dir nicht schwerfallen. Wann kann ich es haben?«
    »Sagen wir… in drei Tagen.«
    »Bist du der champ oder nicht? Übermorgen! Um zehn hol ich es mir. Nicht unter fünf Seiten, maximal acht. Ach ja, noch eins, sie proben ein verdammt mottiges Stück, mach dich da firm! Das Leben ein Traum , irgendein spanischer Schinken. Schon mal was von gehört?«
    »Oberflächlich.«
    »Okay, dann geh in die Tiefe. Erspar uns jede Art von Blamage! Sie muß denken, du hast alles im Griff. Noch Fragen?«
    »Wie alt ist sie denn?«
    »Sie ist voll drauf, so um die dreißig. Photos haben wir schon, sind zum Ablecken. Halt dich zurück!«
    »Bin ich ein Wilder?«
    »Nein, du bist der champ !«
     
    Am nächsten Tag fand ich mich zur angegebenen Zeit im Theater ein. Man sagte mir, daß die Proben noch im Gang seien, und ich ging in den Zuschauerraum, um wenigstens einen flüchtigen Eindruck zu erhaschen. Ich hatte das Stück noch in der Nacht gelesen, ein Spanier namens Calderón hatte es vor mehr als dreihundert Jahren geschrieben, wie zu erwarten, bestand es aus lauter Ungeheuerlichkeiten. Ich hatte die langen Monologe nicht durchgestanden, die gedrechselte Sprache der Übersetzung hatte mich schnell müde gemacht, und ich hatte vergeblich versucht, die Handlung herauszufiltern. Es ging um ein Monster von Mensch, in einem Turm
aufgewachsen, das blindlings auf Diener und Frauen losging; am Ende hatte es Beherrschung gelernt und wurde von allen Seiten dafür gelobt.
    Ich setzte mich in eine der dunklen, hinteren Reihen. Linda Francis war auf den ersten Blick zu erkennen, sie stand vorn an der Rampe, eine große, filigrane Gestalt mit langem, schwarzen Haar und stark hervortretenden, hoch ansetzenden Backenknochen. Ihr Äußeres erinnerte an das eines verwöhnten Modells, doch sie trug betont unauffällige Kleidung, eine weit ausgestellte, dunkle Hose und einen grauen Pullover, die Ärmel hochgestreift. Anscheinend war sie mit einer Regieanweisung nicht einverstanden, denn sie redete auf den nur müde abwinkenden Regisseur ein, der in seinem Textbuch blätterte.
    Ich beobachtete die Auseinandersetzung mit heimlicher Schadenfreude, genau so hatte ich mir Theaterproben vorgestellt, Zeter und Mordio, lächerlich und überflüssig. Man verausgabte sich, um einander seinen Ernst zu beweisen, und am Ende hatten alle ein gutes Gewissen, weil sie nichts unversucht gelassen hatten, das Spiel zu blockieren. Der Regisseur verteidigte sich, aber es klang zu sehr nach Rechtfertigung, um schnell zu überzeugen. Er machte den entscheidenden Fehler, er bezog die Attacke auf sich, und schon war er draußen, ein zappelndes Männchen, das um Aufmerksamkeit bettelte. Linda brauchte sich nur zu wiederholen, jedesmal wurde seine Antwort um ein Geringes

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