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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Spanierin, Vater Amerikaner, und ich wurde in Deutschland geboren. Vater war eine Zeit als Offizier bei der Army , heute leben meine Eltern in Boston. Ich bin hier zur Schule gegangen, kam dann viel herum und hab in den Staaten mit Gesangsunterricht begonnen.«
    »Du wolltest Sängerin werden?«
    »Ich will, aber das ist noch ein Traum. In den Staaten bildet man sich zuerst als Schauspielerin aus, das verschafft einem die Grundlagen. Außerdem brauche ich das Schauspiel, es gibt mir sehr viel.«
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Das ist meine erste Saison in Wiesbaden, vorher hab ich in Frankfurt gearbeitet.«
    »Gefällt dir die Stadt?«

    »Oh ja, pretty good , ein bißchen fancy , mit einem Touch alten Stils.«
    »Drei Sprachen … wie kommst du mit drei Sprachen zurecht?«
    »Schwer zu sagen, eine schwierige Frage ist das. Weißt du, ich habe keine Muttersprache, ich bin mit diesen drei Sprachen zugleich aufgewachsen, später kam noch Französisch hinzu. Wenn du dich so sicher in den verschiedensten Sprachen bewegst, merkst du, daß viele Menschen mißtrauisch werden. Sie trauen dir nicht. Sie halten die Perfektion, über die du verfügst, für ein Zeichen von Unehrlichkeit. Sie denken, mein Gott, die kann unsere Sprache zu gut. Ein wenig soll man als Fremde immer verstört sein, unsicher, hinter den passenden Wendungen her. Wenn man perfekt ist, glauben viele, man sagt nie die Wahrheit, sondern zitiert oder flirtet. Flirten ist ja ein ganz ungehemmtes Benehmen, mit dem Blick zu gefallen und rasch jemandem näher zu kommen. Ich will nicht so sein, aber viele reagieren auf mich und denken, die hält sich für sicher, der zeigen wir es. Sie wollen etwas aufschrecken in mir, und das ist nicht gut, denn ich gehe leicht darauf ein.«
    Ich verstand, was sie meinte. Ihr Aussehen mochte manchen herausfordern, denn diese starke Durchdringung von Schönheit und Fremdheit reizte zu Ursachenforschung. Man glaubte dem, was man sah, nicht ohne Zögern, man behielt sich vielleicht gern etwas vor, um nicht willenlos einem Blendwerk zu verfallen. Ihr Äußeres erschien so makellos, daß ich dies beinahe als Übertreibung empfand, und es war klar, daß gerade in ihrem Beruf jeder Dumme eher nach Fehlern als nach Vorzügen fahndete. Andererseits machte sie es mir nicht schwer; seit wir einander gegenübersaßen, sprach sie ruhig,
konzentriert, als verdiente ich Einweihung. Sie sperrte sich nicht, im Gegenteil, sie war offen, konkret, ohne bereuende Scham. Sie besaß die zupackende Energie einer Amerikanerin, die Fähigkeit, sich jemandem vorurteilslos anzuvertrauen; gleichzeitig aber erschien sie betörend entrückt, als wäre sie hier nur kurz zu Besuch. Es war ein Schwanken zwischen Nähe und Ferne, aber reizvoll, nicht unangenehm.
    Wir beendeten die kleine Mahlzeit, und sie schlug vor, noch ein wenig nach draußen zu gehen. Unterwegs fragte ich sie nach weiteren Details, die ich für meine Darstellung brauchte. Sie antwortete ausführlich, als wolle sie die bloße Befragung überspringen und lieber ein Gespräch anknüpfen. Nach einer Stunde verabschiedete ich mich mit dem Versprechen, in die Premiere zu kommen.
    »Das kostet dich etwas Überwindung, nicht wahr?«
    »Ja, ich spräche lieber über das Stück, als daß ich bei einer Aufführung zusähe«, antwortete ich.
    »Du schickst mir deinen Artikel?«
    »Das wird erledigt.«
     
    Ich ging ins Büro zurück und überflog meine Notizen. Es war eine Menge zusammengekommen, schlankes Material, das nach einer geschickten Verknüpfung verlangte. Ich wollte aus Linda Francis keine fest umrissene Figur machen, sondern es bei den Vermutungen belassen, die mir nach einem so kurzen Treffen durch den Kopf gingen. Das war die einzig brauchbare Methode, ein Eingestehen von Lücken, ohne das branchengemäße Auftrumpfen mit diversen Verzählchen. Gerade solche leicht einsetzbaren Geschichten hatte sie mir in Fülle angeboten; doch ich wollte sie nicht nur widergeben, sondern mir alles selbst zusammensetzen.

    Ich brauchte lange zur Einstimmung, und ich hatte Glück, daß niemand mich störte. Erst am späten Nachmittag war ich mir des ersten Satzes gewiß. Der erste Satz entschied über den Ton des ganzen Artikels, das wußte ich. Ich schrieb langsam, Satz für Satz auf seine Fugen hin kontrollierend, ohne dem inneren Parlando zu folgen. Ich merkte nicht, wie die Stunden vergingen, es war ein ausfüllendes, bei guter Beherrschung zufrieden machendes Handwerk. Als ich beschloß, der

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