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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Sache ein Ende zu machen, war es kurz vor Mitternacht. Ich ließ alles liegen, so wie es war, um es am nächsten Morgen noch einmal ins Reine zu schreiben. Ich rechnete mit gut acht Seiten, es war ein sauber gearbeitetes, dichtes Porträt.
     
    Lautner war am nächsten Morgen pünktlich erschienen und hatte den Artikel ohne Kommentar an sich genommen. Ich hatte mit einer schnellen Reaktion gerechnet, aber er ließ nichts von sich hören. Es paßte mir nicht, ihn um seine Meinung zu fragen, obwohl ich neugierig war. So ließ ich die Sache auf sich beruhen, bis mich an einem Morgen die Chefredaktion des Wiesbadener Boten anrief. Piehl, der stellvertretende Chefredakteur, bat mich um eine Unterredung, den Ort sollte ich bestimmen. Ich erinnerte mich an die gutbürgerliche Schlichtheit des Dortmunder; Piehl stimmte sofort zu, nicht ohne ein Extra-Lob für meine Bescheidenheit.
    Zwei Stunden später wartete ich auf ihn. Er hatte ein ausgedehntes Mittagessen angekündigt, es hörte sich bedeutend an, aber ich traute solchen Aufwallungen nicht. Piehl erschien mit großer Verspätung; er war ein sich hemdsärmelig gebender, pompöse Betriebsamkeit ausstrahlender Mann um die fünfzig. Er hatte eine schmale Akte dabei, und ich dachte sofort an ein Verhandlungspapier. Wir saßen uns an einem kleinen
Fenstertisch gegenüber, und Piehl schlug auf die westfälische Pauke: Bier, Korn, Brägenwurst. Er tändelte eine Weile herum und erzählte einige Streßgeschichten; dann konnte er seine Absichten nicht mehr verbergen.
    »Also, was Sache ist, muß ich Ihnen erklären. Seit einem halben Jahr bringen wir eine scene -Seite, eine Seite für junge Leute, einmal die Woche. Locker gemacht, aber mit Dampf, ganz speziell. Ein bißchen Techtelmechtel mit der großen Welt, sonst aber hart regional, die Provinz ist das Zentrum. Nichts für Aussteiger, sondern für Einsteiger, da muß einem was einfallen. Wir wollen niemand kopieren, verstehen Sie mich richtig, wir setzen auf neue Ideen. Das Gestrüpp ist sehr dicht in diesem Bereich, die Grenzen sind Schnulze und biederer Pop, Musik hängt leicht über. Gut, das darf ja nicht fehlen, obwohl, ich bin es satt. Wir haben gefiltert, probiert, ich sage, es quillt noch nicht durch. Das wittern Sie auch von ganz außen. Setzkastenmanieren, hier eine Spalte und dort, was für die Freaks und was für die Schnuckis. Ich halt mich mit sowas nicht auf. Frech muß es sein, rotzfrech, eine scharfe Seite ohne Respekt. Nur dann liegen wir vorn, ganz an der Spitze, weitab von diesem scene -Gelümmel. Verstehen Sie richtig, kann alles rein, muß sogar drin sein, Platten, Lokale, Termine, aber kein Schnickschnack. Das Wichtigste ist: aus einem eisernen Guß! Ein Ton! Nicht Detlev hier und Olibert dort, und dann noch die Frauen, Sie verstehen mich schon. Das macht keine Presse, da ist Platz sonstwo dafür. Wissen Sie, als Mann aus der Schule denke ich britisch. Britisch ist gediegen, aber zupackend, professionell und altklug, mit einem Wort: Tradition aus dem Bauch! Und dafür such ich die Feder!«
    »Das klingt anspruchsvoll …«
    »Geht nicht anders, nehm ich mir raus. Also das wäre gebongt.
Wir haben hin und her überlegt und uns die Nächte um die Ohren geschlagen. Immer wieder: rein nichts, war es nicht, war nur Gedöns, Sie verstehen. Woran hat es gelegen? Ja woran? Ich will es Ihnen sagen. Die Mixtur war zu bunt, und das Projekt lief zu lax, nur nebenher, ohne maßgeschneiderte Zuständigkeit. Der Großteil des Stoffs kam aus dem Lokalteil, viel Abfall dabei, und vor allem: jeder schrieb, wie er sich’s dachte. Daneben hatte ich zwei vom Feuilleton daran gesetzt, denen hat niemand die Hände gebunden. Der eine ist fünfunddreißig, der andere zwei Märzen darüber. Gut, sie haben alles versucht. Aber wissen Sie was? Die sind zu durchtränkt, die hatten die ganze Pressemaschine im Kopf, das volle Theater, Rücksichten hier und Anmache dort. Die rechneten nur in fremden Frequenzen, immer voll auf der Lauer, wie das so ist. Was meint der Heinz und was sagt die Helga dazu? Und das ist grundfalsch. Also ich laß hier den Vortrag, ist sowieso nichts für Sie, nur mal knapp. Rückendeckung ist gut, das lernen Sie schnell. Redaktionen sind wilde Gespanne, da kann nicht einer allein lospreschen. Aber in diesem Fall ist das anders. Hier will ich: einen allein! Zwei – schon zwei war ganz falsch! Und dann schließlich der Punkt: die Jungs waren zu alt. Stellen Sie sich das vor: mit fünfunddreißig zu alt!

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