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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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erlaubten transpersonale Erfahrungen. Vollends verschwenderisch aber wurde das harmlose Wörtchen sanft gebraucht; Mutter war stille Teilnehmerin einer weltweiten, den Kosmos überschwemmenden sanften Verschwörung , die den Geist der Technik mit dem der Natur in absehbarer Zukunft versöhnen würde. Das Paradies war ein durch Computer gesteuertes System, in dem die zu Empfängern mystischer Botschaften des Leibes degenerierten Menschen die eigenhändig angebauten Früchte der Erde genießen würden.
    Man hätte vor Mutter Angst bekommen können, wenn die Verwendung all dieser Begriffe und Einsichten ihr nicht eine tiefe Einfalt beschert hätte. Seit die zentrale Sanftheit ihr Leben regulierte, wirkte sie wie eine leicht abwesende, träumerische Figur, die ganz von innen heraus leben wollte. Ich vermutete hinter diesem von innen lange Zeit einen besonders raffiniert ausgedachten Bluff, denn Mutters abstoßend verlangsamte
Bewegungen stachelten einen nicht selten dazu an, ihr gewisse unangenehme Hausarbeiten abzunehmen. Sarah aber belehrte mich mit einigen barschen Bemerkungen darüber, daß Mutter versuche, einen neuen Glauben zu finden, und man ihr bei dieser Unternehmung nicht im Weg sein dürfe. Ich hätte etwas darum gegeben, die schwankenden Grundlagen dieses Glaubens zu erschüttern, aber Mutter wurde von Sarah abgeschirmt, so daß ich gegen die neuen Kräfteverhältnisse nicht ankam. So machte unsere Familie eine sanfte Wandlung durch; Sarah trat an die Spitze, hemmungslos darauf bedacht, eine starke Einzelle zu werden; Mutter verabschiedete sich aus dem banalen Leben, um die esoterischen Rufe von innen heraus deutlicher zu vernehmen, und Vater glitt in das Schattenreich der müden Depressiven, denen längst alles zuviel war. Eine Zeitlang beunruhigte mich diese Konstellation; dann aber erinnerte ich mich daran, daß ich unserem Familienverband noch nie etwas zugetraut hatte. Familien hatten ihren Sinn, als gute Bündnisse auf Zeit; meine Zeit in diesem Kreis jedoch war abgelaufen, und ich hatte zu sehen, wie ich ohne Hilfen auskam.
     
    Meine Korrektortätigkeit war freilich nicht dazu geeignet, mein Bild der Zukunft ein wenig aufzuhellen. Ich wußte selbst, ich kam nicht voran, und meine wenigen Talente kamen nur beschränkt zur Geltung. Insgeheim zögerte ich noch immer, und wenn ich im stillen Ernst mit mir machte, gestand ich mir, daß ich auf etwas Entscheidendes wartete. Ich hatte den naiven Dünkel derer, die darauf vertrauen, alles falle ihnen in den Schoß, doch ich haßte mich oft selbst wegen dieses zwar abenteuerlichen, aber bequem machenden Selbstvertrauens. Die Zeit schleifte so dahin, und um mich herum
machten die anderen ungehemmt Anstalten, die noch freien Plätze zu besetzen. Nur Bloks Verhalten ähnelte noch beruhigend dem meinen; er hatte sein Abitur hinter sich gebracht, und obwohl ich geschworen hätte, daß dies für ihn eine Zäsur bedeuten würde, änderte sich nichts. Zwar machte er Andeutungen, daß Frankie gedroht habe, die monatlichen Zahlungen einzustellen, wenn er, Blok, sich nicht entschließe, ein Studium aufzunehmen, doch waren diese Andeutungen von so verächtlicher Art, daß sich in mir die Ahnung verstärkte, Blok führe etwas im Schild. Statt jedoch damit herauszurükken, widmete er sich nur noch mehr als zuvor seinem Job. Nein, er konnte nicht ernsthaft vorhaben, im Savoy etwas zu werden, ein Hoteldirektor Blok wäre nur eine Farce gewesen, und unter dem Direktorposten hätte er es nicht getan. Man sprach davon, er horte ein kleines Vermögen, aber auch das war unwahrscheinlich, obwohl sein immer auffälliger werdender Geiz darauf hindeutete. So wartete ich neben ihm, noch immer sein Begleiter bei nächtlichen Streifzügen; Doris’ Name fiel nie zwischen uns, und die Weinabteilung des Mövenpick war seit einer verunglückten Probe eines allzu kurzfristig importierten Rioja passé.
    Männie schien allmählich etwas ruhiger zu werden, Honolka war im Tennis zu einem Spitzenclub gewechselt und erhielt angeblich bereits beträchtliche Gewinngelder, Blümchen träumte weiter von einem eigenen Geschäft, Hegeler konnte die Angebote von Nichtschwimmerinnen, ihnen einen Grundkurs zu erteilen, nicht mehr zählen, und Walter schrieb mir Briefe mit prall daherkommenden Wendungen aus dem Sportlerjargon. Er machte zusammen mit Bessin jetzt Dienst in einer Elitetruppe; anscheinend waren es lauter gut gelaunte, mit einem kraftvollen Ego ausgezeichnete Jungs,
die nicht vorhatten,

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