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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gewürzt mit dem Gift einer hochgestochenen Kritik, deren Maßstäbe lauteten: Ich allein! Ich, der Blick, der Beobachter; ich, das Entsetzen, die Ruhelosigkeit; ich, das fremde Partikel in einem quecksilbrigen Strom! Ich kalkulierte alles noch einmal durch, nur für Blok hatte ich mir noch etwas aufgehoben, vom Feinsten , wie Lautner gestammelt hätte. Um alles abzurunden, kaufte ich mir einen Anrufbeantworter, und ich sprach den Text auf das Band mit hastiger Stimme: »Hier ist die Stimme des Wahns, Meynard, der Empfänger! Sie werden verstehen, ich habe zu tun. Ihnen bleiben nach dem Zeichen drei Minuten, versuchen Sie es mit einer!«

 
    Am späten Abend war ich mit Blok durch den Kurpark ins Aukammtal gegangen; das Thermalbad war lange geöffnet, und wir waren nach draußen geschwommen, in das nur unter Wasser erleuchtete Freibecken, wo man sich mit dem Kopf in der Kühle der Nacht, mit dem übrigen Körper aber in einem warmen Suhl befand, der an die Badewannenfreuden der Kindheit erinnerte. An den Rändern sonderten sich feine Dämpfe ab, das Wasser war kaum bewegt, hier war kein Platz
für Schwimmer, sondern für Wollüstige, die in der dunklen Abgeschiedenheit vor sich hinbrüteten und leise Worte mit ihren Nebenleuten wechselten. Blok hatte sich über meine Anstellung gefreut, er grübelte noch immer darüber nach, wie es dazu gekommen sein mochte, und ich machte gern mit, denn auch ich hatte keine völlige Klarheit.
    »Lautner soll mich empfohlen haben«, sagte ich, »das bedeutet, er hat mich die ganze Zeit im Auge behalten. Ich sollte keine Artikel schreiben, weil ich nicht in Erscheinung treten durfte.«
    »Klug eingefädelt, aber Lautner ist der Letzte, der so etwas aus Freundschaft tut.«
    »Warum nicht? Er sagte schon früher, ich hätte die richtige Schreibe im Kopf. Er ist ein guter Bekannter von Piehl, das könnte den Ausschlag gegeben haben.«
    »Daß niemand dich kennt, das ist wahrhaftig ein Coup. Sie setzen der Mannschaft einen vor die Nase, und der ist jünger und nicht verbraucht. Du wirst es sehr schwer haben.«
    »Ich habe es schwer, es hat schon begonnen. Die Gegner sitzen im Feuilleton, denn in deren Ressort breche ich zwangsläufig ein. Jahrelang haben sie sich auf ihren Sesseln gelümmelt und ihre Theaterkritiken geschrieben, ausgetretenes Zeug über Aufführungen in Bochum und Recklinghausen, mit Witzeleien aus dem Pennälerjargon. Die kleinen Götter mit ihren Duftmarken aus Vorbehalten, Ressentiments und eingebildeter Cleverness, sie kommen alle zu spät. Mit der Zeit sind sie müde geworden, verbraucht, ihre eigene Sprache ekelt sie an, all diese aufgesetzten Ohs und Achs, mit denen sie so lange schon getrommelt haben. Ein Leben nur in Kritik, stell dir das vor, ein Leben lang nur hinterdrein, possierlich an der Leine geführt. Jeder von ihnen hat an seinen letzten Resten
von Charme gebastelt, um sich etwas Eigenes zu erhalten, denn im Grunde besitzen sie nichts. Jede gute Aufführung ist tausendmal mehr wert als ihre Begeisterung, jede schlechte bedarf nicht ihrer Kritik. Es ist nirgends Platz für sie, sie wirken in einem toten Bereich, unkreativ, dazu verdammt, die Glocken läuten zu hören, ohne selbst einmal am Strang ziehen zu dürfen. Hänfling leitet den Club, schon weit über fünfzig, und noch immer ohne einen Zentimeter Boden unter den Füßen. Er sichert sich ab, krumm geworden über seinen Kollegenknicks. Überall hörst du ihn reden, jedes durchwalkte Thema stößt er mit seinen halbherzigen Sätzen vor sich her, ein trauriger Typ, ohne einen Funken Esprit. Aber er dünstet sich aus, drei Zimmer hat er zu seiner Verfügung, voll von ranzigem Angestelltenmief mit den dazugehörenden Geschichten, wie in Büchern von Walser. Sag mal, was wollen so Leute denn noch? Was schleichen die durch die Gänge? Wofür geben die etwas her? Durchgesackte Erscheinungen sind es, ausrangiert, und sie wissen es selbst. Sie kommen einfach längst nicht mehr mit. Geborgte Ansichten, vielleicht etwas für Gewerkschaftszirkel und Volkshochschulen. Und selbst damit sind sie niemals ins Reine gekommen. Was ist Kultur denn für die? Der Spott, den sie über Leute wie sich selbst ausgießen! Sie treffen nicht, sie vergleichen; leider wirft niemand das Handtuch für sie. Hänfling kommt gegen elf, schon das offenbart den Versager. Er hat sich rumgetrieben, zu lange gefrühstückt, mußte erst fertigwerden mit dem frühen Morgen, bevor er sich etwas zumutet. Diese mimosigen Halbintellektuellen!

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