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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sollte in der Zukunft auch ein Empfangsraum für flüchtige Bekannte sein, die mit einem Drink abgespeist werden konnten; notfalls würde ich die
chromblitzende Espresso-Maschine unter Dampf setzen, die mir Blok aus Anlaß der Anstellung geschenkt hatte. Ich bestellte eine Einbaueinrichtung der Marke Chicago weiß/blau , mit einem Kühlschrank in Brusthöhe und einem Herd mit vier versenkten, in Funktion dunkelrot aufleuchtenden Platten. Gardinen wurden hier wie auch in den übrigen Räumen entfernt. Nur im Schlafzimmer hatte ich altweiße Stores anbringen lassen, sie brachten die japanischen Akzente, die vor allem von einigen nach den Lehren des Zen ausgelegten Tatami bestimmt wurden, auf denen schwere Futon-Matten ausgelegt waren, gut zur Geltung. Meine Wohnung sollte funktional, kühl, hell und doch intim erscheinen, eine weltoffene Klause, die einladend wirkte, ohne die Gäste behaglich zu umschmeicheln. Ich nahm mir vor, weiterhin auf ein Auto zu verzichten; irgendeinen Spleen konnte ich mir leisten, und dieser war nicht der schlechteste. Ich verstand nichts von Autos, und ich wollte mich nicht auf ein Modell festlegen, im Stillen gewiß, daß solche Entscheidungen von anderen gedeutet werden würden. Statt dessen würde ich mir über die Zeitung eine Netzkarte der Bahn besorgen; vielleicht war es möglich, sie durch eine gleichzeitig geschaltete Anzeige oder einen attraktiven Bericht über die Vorzüge von Netzkarten für Jungunternehmer billiger zu erhalten. Solchen lukrativen Wegen gebührte besondere Aufmerksamkeit; hier würde die Anzeigenkartei von Wiesbaden live nützliche Dienste tun, die ich ebenfalls in meine Unterlagen aufgenommen und für alle Fälle umständlich codiert hatte. Honolka war für Sport zuständig, sollte sich jedoch möglichst auf neue Sport artikel , die Furore machten, beschränken; zur Seite stand ihm Bessin, der keinen Gedanken klar formulieren konnte, dafür aber Einblicke in Welten der Fitness-Center hatte. Hegeler kannte sich
im HiFi-Bereich aus und würde über technische Trends berichten. Das meiste jedoch beschloß ich selbst zu erarbeiten. Ich durfte nur auf wenige Mitarbeiter angewiesen sein, und höchstens in den Branchen, von denen mich ein guter Instinkt ferngehalten hatte. Ich dachte daran, mir einige passende Pseudonyme zuzulegen, mit denen ich die Artikel zeichnen würde. Niemand sollte das Spiel durchschauen, dafür würde ich sorgen; die Figuren, die ich aufbieten würde, durften einander nicht wohlgesonnen sein, selbst auf dieser einen Seite würde ich Widerspruch dulden, ja geradezu provozieren. Außerdem würde ich mir auf diese Weise etwas dazuverdienen, ohne allzu regelwidrig zu schummeln. Karl Kraus hatte seine Fackel allein geschrieben, da würde ich mit einer Seite pro Woche keine Mühe haben. Wie hatte Piehl mir geraten? Einer allein! Das war eine gute Devise, in den letzten Jahren hatte ich eine Menge Selbstbewußtsein aufgehoben, die nun zur freien Verwendung anstand. Ich summierte: die kleinen, beweglichen Faktoren waren besetzt, viel kam auf Männies Dienste an und darauf, daß er durchhielt. Ich würde ihn entsprechend belohnen, nicht mit Geld, sondern mit kleinen Extravaganzen, sowas würde sich finden. Die anderen Posten waren flexibel, ich konnte sie von einem Tag zum andern auflösen. Um mich herum ein wabernder Teich, die Seerosen würde ich selbst zum Blühen bringen. Ich wollte eins mit der Arbeit werden, ein Fixstern, um den sich die Nebel streuten. Mit Piehls Widerstand war nicht zu rechnen; nach einigen Monaten würde ich den Grünkohl aufmarschieren lassen, da konnte er sicher sein. Ich hatte ein feines Netz gesponnen und das Terrain entsprechend bereitet; die achtbare Kommune sollte mich kennenlernen. Nachts flanierte ich siegesgewiß durch die Stadt. In all diesen aufgepepten Verhältnissen fehlte
eine deutliche Stimme, eine, die die Verhältnisse benannte und ihnen ihre Harmlosigkeit nahm, die Stimme des Einbrechers, der die Behausungen der Ausgeraubten hohnlachend verließ. Schon trafen die ersten Briefe und Berichte bei mir ein, im Verlagshaus hatte ich ein kleines Büro bezogen, mit Blick auf eine belebte Einkaufsstraße. Tagsüber wollte ich sie hören und sehen, diese verträumten Konsumdilettanten, die mit dem Luxus der Waren geistig nicht mehr Schritt halten konnten. Ich würde ihre Hemmungen lockern und sie in schwachen Momenten erwischen. Ich würde die ganze Pracht dieser achtziger Jahre vor ihnen auftischen, dick, satt,

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