Agenten - Roman
Der Verstand hat sie in ihren Jugendjahren mit ein paar Gedanken beschenkt, und geblieben ist ihnen davon ein Sinn für nicht kratzende Unterwäsche. Geist ist umgeschlagen in betuliches Gebaren, in feminines Empfindeln.
Da sind mir die Politischen lieber, die stinken wenigstens offen so, wie sie reden. Kultur ist Parfum, in den Redaktionskonferenzen schweigen alle betreten, wenn die Feuilletonisten sich melden. Wieder Minuten verschenkt! Hänfling weiß das, und er schluckt es in sich hinein, den vollen Tran! Er hat müde Augen vom Ampelngucken, und seine Hände zittern schon, wenn sie unbeschriebenes Papier sortieren. Was schreiben wir da nur drauf, ja was nur? Was fällt uns heute denn ein? Nicht einmal einen Computer kann er bedienen, und er meldet, daß er nicht will ! Hänfling will nicht! Computer sind nichts für ihn, seine Finger versagen vor soviel Technik! Statt dessen sitzt er weiter mit hoch gezogenen Schultern vor der Maschine, laut vor sich hinmurmelnd, und die Tür wird verschlossen. Hänfling schreibt bei verschlossener Tür, Telephongespräche muß die Sekretärin abschnappen. Und Hänfling sitzt und quetscht sich den Schweiß auf die Stirn, zwei Stunden für einen knappen Artikel, nicht einmal selbst ins Reine geschrieben. Ich glaube, der hält das für Kunst. Für Kultur. Arbeit als maximal ausgesessener Schweißaufwand bei extremer Anstrengung der Gesäßmuskeln! Aber jetzt wittert er was. Gleich am ersten Tag hat er mich zu sich bestellt. Ein Cognac, das Zigarettenetui! Auf gute Zusammenarbeit! Die wird sich in Grenzen halten, hab ich gesagt. Wie meinen Sie das? Ich bestell meinen Acker allein, hab ich gekontert. Du hättest ihn sehen sollen, wie ihm da etwas schwante! Ich denke, unsere Themen überschneiden sich nicht, und wenn, kann es nicht schaden, habe ich ihn weiter gequält, die Leser sind mündig, und ihr Urteil ist sicher. Was soll das heißen? hat er gefragt. Ach, lassen Sie mal, hab ich ruhig getönt, Sie hatten Chancen genug, jetzt habe ich meine. Höre ich richtig? feixt er mich an. Sie machen Kultur und ich das Beiprogramm, hab
ich erklärt, wollen hoffen, daß sich da nichts verschiebt. Prost, Dank für den Cognac, ihre Zigaretten sind zu schade fürs Etui, ich besorg Ihnen orientalische, wenn Sie mögen, zum Kulturrabatt! Dann bin ich raus, Tür zu, exit , und er hatte in drei Minuten meine Antrittserklärung!«
»Ob das klug war?!«
»War es, war es bestimmt. Er mag mich nicht, ich mag ihn nicht, es kann nur besser werden. Also setzt man an den Anfang die Auseinandersetzung, den Wettbewerb. Ich will Hänfling Respekt abnötigen, er soll wissen, mit mir kann man sich nicht unter dem Tisch verständigen. Und warum sollten wir uns denn verstehen ? Ist doch keineswegs notwendig! Sich verstehen wollen – das ist gerade das Mißverständnis. Ich muß mit Hänfling auskommen, vielleicht, es bedarf einiger Absprachen, gut, aber deshalb muß ich ihn doch nicht verstehen. Das liegt auf einer ganz anderen Ebene. Und diese schiefe Ebene, diese munkelnde Geselligkeitssprache, die wollte er einfordern. Zusammenarbeiten – nein, das braucht es doch nicht. Absprachen sind keine Zusammenarbeit, solch ein Begriff ist strapaziös, und er klittert.«
»Gut, du hast es ihm also gegeben…«
»Nein, auch das nicht! Ich wollte ihn nicht provozieren, er hat mich provoziert. Ich bin nicht der junge Freund, mit dem man jovial umgeht, ich bin überhaupt nicht seinesgleichen, wenn auch im selben Metier. Ich bin ich, das soll er sich merken und nichts in diesem Geschäft vertauschen. Menschen und ihre Arbeit müssen klar profiliert sein, umso besser kommen sie miteinander aus.«
»Du wärst gut in Unternehmensberatung …«
»Das mußte ja kommen. Dabei mein ich es ernst. Versteh mich genau, ich werde jetzt in etwas hineingezogen, an dem
ich mitbauen soll. Nichts um mich herum kann mir mehr gleichgültig sein, auch nicht Hänflings fatale Neurosen. Denn diese Neurosen prägen den Ort, an dem ich durchhalten will, unbestechlich, ohne Kungelei. Ich will mein Programm, darauf setze ich jetzt, und wehe dem, der mich mit seinen kleinkarätigen Vorbehalten belastet!«
»Nun steck mal zurück, du bist nicht der Boß!«
»Weiß ich, und doch muß ich in meinen Augen einer sein. Ich bin kein Angestellter, der seine Tarifverträge absitzt, ich will etwas erreichen, eine einzige blitzgescheite Seite in der Woche, die man mit Neugierde liest. Wenn das scheitert, wenn es die Leser nicht wollen, wenn die
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