Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
du ganz anders herum.«
    »Und wie?«
    »Ich liefre dir die Frauen direkt an die Hand. Wenn du willst, alle paar Wochen ne neue. Ich mache sie fiebrig und startklar für dich, das kannst du mir glauben. Ich bräuchte nicht mal viel Energie, die Bestellungen hab ich schon in der Tasche.«
    »Du hast was…?!«
    »Eine Handvoll, die schielen nach dir. Man weiß, wo du frühstückst, man kennt deine Manieren. Je weniger du von dir preisgibst, um so näher rückt man doch ran… Was ist? Glotz doch nicht so! Gib den Startschuß, und ich manage dir deine Rennen!«
    »Hör jetzt auf, ich will nichts hören davon!«
    »Gut, ja, der workaholic ! Wir sprechen uns noch!«
    Er lief hinaus, das Gespräch hatte ihn aufgeregt. Hatte er recht? Sollte mich das alles überhaupt etwas angehen? Ich verstand meine Arbeit als streng, sie zum Lebenselixier auszugestalten, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Der Besessene, diese Rolle gefiel mir mehr als die eines albernen Tändlers, der seine kostbare Zeit für Amouren opferte. Andererseits mußte ich zugeben, daß das Leben mit Doris einförmig geworden
war, ein Zusammensein ohne den Stachel heftiger Verlockung.
    Ich räumte meinen Schreibtisch auf und lief auf die Straße. Das Strömen, all diese gleitenden Bewegungen… Ich atmete tief durch, dann mischte ich mich eilig hinein…
     
    An diesem Nachmittag ließ ich die Arbeit liegen. Ich ging ins Dortmunder und bestellte ein Kölsch. Das Lokal war zu dieser Stunde fast leer, nur neben mir an der Theke unterhielt sich eine kleine Männerrunde, die Rechte in der Hosentasche, die Linke am Glas, nicht um Worte verlegen. Es waren Immobilienhändler aus dem Frankfurter Raum, ein Zahnarzt, der seinen freien Nachmittag durchbrachte, und ein Croupier, der alle in der Meinung bestärkte, beim Spiel gebe es nichts zu gewinnen. Ich stand etwas abseits, voller verstreuter Gedanken, und versuchte, die alte Leichtigkeit wiederzufinden. Ich durfte nicht lange an etwas Einzelnes denken, schon diese Fixierung verdarb schnell die Stimmung. Ich trank hastig, das kühle Bier hatte wie früher eine beruhigende Wirkung, ein Ausgleichen von Spannungen, die sonst nur an mir zerrten. Manchmal hatte ich in den letzten Tagen solche Krämpfe gespürt, unerklärlichen Druck, durch nichts Ordnendes zu verscheuchen. Die Arbeit war anstrengend, und sie versetzte mich oft in einen unaufhaltsamen Taumel. All die Themen, Projekte und Phantasien bildeten dann ein sich immer dichter zusammenschnürendes Geflecht, in dem ich den Überblick verlor. Ich hatte gehofft, so etwas wie Öffentlichkeit mitzugestalten, einen dichten, lebhaft besetzten Raum voller scharfer Debatten. Statt dessen saß ich in einem beinahe lautlosen Käfig, anscheinend angewiesen auf die schwankenden Stimmungen einer Belegschaft, die sich auf Blößen verstand. Seit ich in der
Zeitung arbeitete, war ich einsamer geworden, und ich wußte, daß ich nur deshalb so unbarmherzig früh aufstand, um dem schleifenden Ablauf des Tages eine Gegenwehr zu bieten. Viele Redakteure litten an diesem unmerklichen Driften wie an einer Krankheit, die nicht zu heilen war. Sie begann mit Ausschlafen am Morgen, mit kleinen Mitteln gegen die Dumpfheit, mit ausgedehnten Mittagen, und sie mündete in das Empfinden, jede Kontrolle verloren zu haben. Es war ein Gefühl des Versandens, verursacht durch ein maßloses Ungleichgewicht von Aufwand und Zweck. Im eignen Innern drehte sich eine feine Spirale, auf der nichts wahrhaftig vorankam; um so kräftiger die Verlautbarungen, um so gehetzter der Umgangston. Man hätte sich diesem Aufputschen gerne entzogen, letztlich war es nur ein lächerliches Relikt überkommener Vorstellungen von diesem Metier, doch es drängte sich überall auf und wurde immer mehr eins mit den Dingen. Schließlich erschien einem der tonlose Raum um einen herum, auf dessen fordernde, werbende, urteilende Stimmen man nur vergeblich wartete, wie ein molekulares Gebilde, eine Kette beliebiger, teils zufälliger, teils mechanischer Reaktionen, die keine Berechnung mehr erfassen konnte. Das Material , das Material war zu nachgiebig, viel zu porös, nirgends knüpfte eins ans andere an, kein Faden, nur diese Versprengtheit …
    Ich trank weiter, und wie oft in diesen Momenten packte mich eine Verbindung von Gleichgültigkeit und Lust. Gleichgültig war das alles um mich herum, ein ferner rückendes Einerlei, bestimmt von immer denselben trivialen Gesetzen; die Lust aber zog mich hinaus, ein stärker werdendes

Weitere Kostenlose Bücher