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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Empfehlungen für den Belegversand , ein Sprung in die Druckerei. Hausmannskost, Hausinterna, da drunten rotiert es. Im Haus wird es stiller, du streifst durch die Gänge, hier und da fällt etwas ab. Jetzt kreist der Tagesnippes in dir, du kommst nicht zur Ruhe. Zurück an deinen Tisch, lies dich still. Einsteigen, aufsteigen, Spider 2000 . Noch zwei Lokale am Abend, fader Klatsch, doch du mußt ihn schlucken, denn du bist längst ein Teil. Spätestens Mitternacht willst du für dich sein, aber du weißt, du versprichst dir zuviel.
     
    Seit Männie mit mir zusammenarbeitete und als meine rechte Hand galt, ließ er sich Mano nennen. Schnell hatte er im Pressehaus Zugang zu fast allen Abteilungen gefunden. Er kleidete sich jetzt nach den neuesten Trends, lässig und bequem, und er verstand sich am besten mit den weiblichen Mitarbeitern, die ihn hätschelten, wann immer sie konnten. Männies kurze Auftritte waren beliebt, denn er sorgte für gute Stimmung; er konnte es sich leisten, frech und unbekümmert zu erscheinen, weil er noch als einer von draußen galt, unabhängig, aber an jeder Neuigkeit interessiert. Er hatte ein besonderes Geschick, die anderen zum Reden zu bringen; mit einigen lokkeren Bemerkungen bereitete er den Boden, seine Witze und Redensarten machten die Runde. Sobald man auf sie einging, war man verloren; er verstrickte einen in ein kurzes Palavern, dann war man schon mitten in einer Erzählung, und Männie machte noch Fahrt, indem er einem zunickte oder Verständnis anklingen ließ. Man steckte ihm Zigaretten und Süßigkeiten zu, und er verstaute dieses Animiergeld in seinen ausgebeulten
Taschen, die er nie zu leeren schien und in denen er zerstreut herumfingerte. Er konnte sich für Momente zu völliger Ruhe zwingen, dann blickte er einen stumm und eindringlich an, als erwartete er Besonderes; leicht ließ man sich in solchen Situationen zur Ausführlichkeit hinreißen, doch mit einer einzigen plötzlichen Bewegung durchtrennte er diesen Faden und machte sich wieder davon. Auf nicht zu Ende geführte Gespräche baute er auf; er behielt die angerissenen Themen länger im Kopf als man selbst. Mit einigen Stichworten rief er den Text ab und streute dazu, was ihm durch den Kopf gegangen war; viele ließen sich gern so von ihm ansprechen, denn er suggerierte mehr als die Bereitschaft, gut zuzuhören. Wahrhaftig wartete er auch mit kleineren Hilfeleistungen auf, als ginge es ihm um das Wohl der anderen. Mir gegenüber verhielt er sich sachlicher, aber ich wußte, daß er an vielen Ecken seine Geschäfte betrieb, ein allzeit gut aufgelegter Kumpel, dem niemand Böses nachsagen konnte.
    Zu Franz Schmahl hielt er den besten Kontakt, und alle wunderten sich über das Duo. Schmahl war einer der älteren Mitarbeiter, seit mehr als zwanzig Jahren arbeitete er bei der Zeitung, eine unentbehrliche, niedrig bezahlte Kraft, die das Haus mit jenen Knittelversen und Kalauern versorgte, wie sie nur einem gebürtigen Mainzer zuzutrauen waren. Schmahl wohnte noch immer in Mainz, kaum ein Tag verging, ohne daß er seine Herkunft hervorhob und sein Anderssein betonte; auch in zwei Jahrzehnten war ihm Wiesbaden fremd geblieben, eine zwielichtige, undurchschaubare Stadt, von der man sich fernzuhalten hatte. Mainz dagegen war angeblich harmlos und heiter, ein Ort voller schlitzohriger Alleinunterhalter, die nichts wörtlich meinten und ihr Understatement gern übertrieben. Schmahl galt als sonnig;
er war klein, untersetzt, gesegnet mit jenem Humor, den man Rheinländern nachsagt und der mit der Zeit etwas schal geworden war. Dazu gehörte sein breiter Dialekt, ein Auftrumpfen mit gequetschten Vokalen und falsch angeschlossenen Nebensätzen, das er eigensinnig beibehielt. Seine Komik wirkte drastisch, vollmundig und löste sich leicht von ihrem Anlaß; er verstand sich auf Anzüglichkeiten, und er brachte sie unter, als wäre alle Welt an sie gewöhnt. Man gab sich schockiert, doch längst hatte Schmahl die versteckten Lacher aufgegabelt und für sich verwendet. Solch ein Verhalten ließ an Schläue denken, doch es folgte nur einem sicheren Instinkt; es war der Instinkt des ewig Unterlegenen, der gern überspielte, daß er sich zurückgesetzt oder betrogen fühlte.
    Schmahl arbeitete in der Anzeigenabteilung, doch er verstand sich als frei verwendbarer Gehilfe, der gern für andere einsprang, ohne zu murren. Bei Krankheitsfällen hatte er Kollegen aus den verschiedensten Bereichen vertreten; er konnte sich in der

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