Agentur der boesen Maedchen
oder Mutter, tippte ich. Den Mantel hielt er immer noch in der Hand, ich nahm ihn ihm ab und legte ihn auf das Kanapee.
»Nun setzen Sie sich doch«, sagte ich und deutete, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Mein Ton war nicht unbedingt freundlich, gerade so, als könnte unser Büro sich das leisten. Aber er folgte. Offenbar war er diese Art von Behandlung gewöhnt und hielt sie für normal. Ich setzte mich hinter den Tisch und versuchte, professionell zu wirken, höflich, aber nicht zu höflich.
»Womit kann ich dienen?«
Da klingelte das Telefon. Ich war wieder auf Schweinereien gefasst.
»Ja?«
»Annette, bist du’s? Hör mal, ich versuche seit Tagen, dich zu erreichen, aber du hast es ja nicht nötig, dich mal bei deiner Mutter zu melden.«
Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich wollte auf keinen Fall, dass mein Besucher mitbekam, dass es sich nicht um ein dienstliches Gespräch handelte. Ich bemühte mich also um einen distanzierten Ton am Telefon. Wer würde sich schon gerne von jemandem helfen lassen, der seine Mutter nicht bändigen konnte?
»Hallo, wie geht’s?«
Das war hoffentlich neutral genug.
»Wenn du meine Schmerzen hättest, und du weißt ganz genau, dass ich Schmerzen habe, was soll also diese Frage?«
»Ich bin leider im Moment sehr beschäftigt.«
Der Ton kam schlecht an.
»Ricarda hat mir schon erzählt, dass du irgendwas Neues machst, aber sie hat nichts Genaueres gesagt, also wenn es mit Ricarda zu tun hat, kann ich dich nur warnen, du weißt ja, deine Tante – und außerdem, was ist denn aus deiner Universitätskarriere geworden, und was soll das alles?«
»Ich rufe später zurück. Bis dann.«
Entnervt legte ich auf, nahm aber den Hörer gleich wieder ab, um einen erneuten Anruf meiner Mutter zu verhindern. Etwas zweifelnd lächelte ich meinen Besucher an, der die Szene aufmerksam verfolgt hatte.
»Also, warum sind Sie gekommen?«
»Ich habe ein Problem, und mein Arzt dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.«
»Wer?«
»Mein Arzt. Wissen Sie, ich bin dort in Behandlung wegen meiner Schlafstörungen und meiner Magenprobleme. Er sagt, das sei psychosomatisch. Ich habe nämlich ein Problem, meint er, und das ist meine Mutter.«
Das Problem kannte ich gut.
»Darf ich fragen, wie Ihr Arzt heißt?«
»Dr. Seeger. Wissen Sie, er ist …«
Ich hörte ihm nicht mehr zu. Onkel Franz. Offenbar hatte ihm Ricarda von der Sache erzählt, und er hatte uns weiterempfohlen. Wer hätte das gedacht. Ob er auch wusste, dass er der Auslöser für diese ganze Geschichte war? Ob er mir eins auswischen wollte für den Abend? Ich wurde misstrauisch.
»Erzählen Sie.«
»Ich bin neununddreißig Jahre alt, ledig und wohne bei meiner Mutter. Ich wollte mir schon öfter eine eigene Wohnung suchen, aber sie wurde immer wieder schwer krank, also die Mutter. Herzanfälle und so. Sie hält mich für einen Versager, und wir verstehen uns nicht.«
Die Geschichte klang so, als hätte er sie schon öfter erzählt, zum Beispiel bei Onkel Franz. Ich enthielt mich eines Kommentars zum geschilderten Problem. Ich konnte schlecht auf einen anderen Menschen hinuntersehen, da ich es selbst nicht viel besser machte – was die Mutter anging.
»Was erwarten Sie von uns?«
»Nun, Herr Dr. Seeger sagte, Sie könnten mir helfen. Sie würden mir eine Frau vermitteln, mit der ich das üben könnte. Also, meiner Mutter zu widersprechen, mich abzuseilen, ein eigenes Leben zu beginnen. Wissen Sie, ich habe vor kurzem einen Krimi im Fernsehen gesehen, da hat einer blonde selbstbewusste Frauen umgebracht, weil seine Mutter blond und selbstbewusst war und er nicht von ihr loskam. So weit möchte ich es nicht kommen lassen.«
»Welche Haarfarbe hat Ihre Mutter?«
Ich kam mir sehr witzig vor.
»Etwa so wie Sie.«
Mir gefror das Blut in den Adern. Vielleicht war er doch einer meiner perversen Anrufer. Meine Gedanken schweiften ab, aber das Männchen blieb hartnäckig.
»Können Sie mir helfen?«
»Wenn ich Sie recht verstehe, brauchen Sie einen dominant-mütterlichen Typ, bei dem Sie ausprobieren können, was Sie zu Hause nie sagen würden.«
»Ja, so ähnlich.«
Ich dachte kurz nach. Mich kannte er schon als etwas ruppige, aber keinesfalls mütterliche Frau, zumindest sah ich mich selbst so. Ricarda würde ihn vielleicht gleich ins Bett ziehen, das konnte Onkel Franz nicht gemeint haben. Eigentlich blieb nur Eva.
»Ich denke schon, dass ich eine Frau für Sie
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