Agentur der boesen Maedchen
milden Verständnis eines alten Kumpels, er kommentierte sie nicht, er spielte nicht weiter den großen Psychologen, obwohl er wirklich viel von mir wusste.
Annette kam unangemeldet, das war nicht gerade typisch für sie. Vorsichtig schälte sie sich im Gang aus ihrer Jacke.
»Ist er weg?«
»Annette, warum denkst du an einen Mann, der dich nicht interessiert? Lass ihn doch meine Sorge sein.«
»Also ist er da?«
»Komm rein, er ist nicht zu sehen.«
Annette kam ins Wohnzimmer und pflanzte sich auf den Sesselrand, wie so oft. Ich holte den frisch aufgebrühten Kaffee, das war nie verkehrt.
»Wie war dein Date gestern Abend? Offenbar nicht so toll, sonst wärst du nicht schon hier.«
Ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Annette wand sich in der Polstergarnitur, stand auf, ging auf und ab, blickte aus dem Fenster auf meinen verwahrlosten, aber sehr hübschen Garten und drehte sich dann um.
»Ich habe ihn sitzen lassen mit der Rechnung.«
»Hat er dir einen unsittlichen Antrag gemacht, und du hast aus purem Anstand abgelehnt?«
»Man könnte es fast so sagen, ich fand den Antrag auf jeden Fall unsittlich.«
»Meine Güte, ist es so schlimm, mit ihm ins Bett zu gehen?«
»Das war nicht das Problem. Er wollte, dass ich seine Doktorarbeit für den Druck vorbereite. Ich hätte ja sonst nichts zu tun.«
Wenn ein Mann eine Frau zur Tippse degradierte, wurde ich aggressiv. Das musste an meinem früheren Job liegen. Irgendwie kannte ich das, wenn der Doktor sich zur Schreibkraft hinunterbeugte.
»Ist der nicht ganz dicht?«
»Weiß nicht. Aber ich hatte nachher fast ein schlechtes Gewissen. Ich habe nicht mit ihm diskutiert, ich bin einfach gegangen, als er auf dem Klo war.«
»Meinst du, die Zeche ruiniert ihn?«
»Nein, aber er könnte sauer sein.«
»Warum nicht, du bist doch auch sauer.«
»Na ja, er hat mich so richtig klein gemacht. Ich habe ihm kurz von der Agentur erzählt, und er tut so, als könnte ich das nicht.«
»Der ist ja schlimmer als deine Mutter.«
Annette lachte bitter, setzte sich aber endlich wieder und nahm sich Kaffee.
»Ja, das habe ich auch schon gedacht.«
»Liegt dir noch was an dem Kerl?«
Annette stand nach einem Schluck schon wieder auf und begann mit dem Rumlaufen. Ich wollte es ihr nicht verbieten, obwohl es mich nervös machte. Schließlich mochte ich nicht wie ihre Mutter sein.
»Ich weiß nicht recht, wir haben uns zeitweise wirklich richtig gut verstanden.«
»Wie ist er im Bett?«
»Das ist mir nicht so wichtig wie dir, Ricarda.«
»Aha, also schlecht.«
»Was heißt schon schlecht?«
»Schlecht ist er, wenn es dir nachher nicht richtig gut geht. Unabhängig davon, was gelaufen ist.«
»Die Definition habe ich noch nie gehört.«
»Ist ja auch von mir.«
Ich wusste schließlich, wovon ich redete. Was hatte ich von einem Potenzprotz, wenn ich nicht auf meine Kosten kam? Aber das sagte ich nicht, ich wollte das Thema nicht vertiefen. Außerdem schien Annette gerade nachzudenken. Sie starrte auf meinen Gummibaum, als wäre er das Objekt ihrer Begierde. Endlich, sie drehte sich wieder um.
»Weißt du, ich fand, wir passten gut zusammen. Aber ich habe immer das Gefühl, mit mir redet er, mit anderen geht er ins Bett.«
»Ich dachte, das mit dem Bett ist nicht so wichtig?« Annette wirkte verblüfft. Ich wollte ihr nicht wehtun, aber ich war mir sicher, wir waren an einem entscheidenden Punkt. Obwohl sie nicht gerade ein kuscheliger Typ war und von Haus aus damit vermutlich nicht verwöhnt, ging ich doch auf sie zu und nahm sie in den Arm.
»Kann es sein, dass du meinst, du wärst nicht attraktiv genug für den Herrn Professor in spe? Lässt du dir wirklich von ihm einreden, du wärest hässlicher als andere Frauen und dümmer als er selbst?«
Annette ließ die Schultern hängen. Ich konnte jeden Moment ein Häufchen Elend im Arm haben, darauf musste ich gefasst sein. Aber sie sagte nichts. Sie wusste einfach keine Antwort.
»Was hat dir eigentlich an ihm gefallen?«
»Er ist klug und charmant, gutaussehend und meistens auch nett, und ich lasse mich gern mit ihm sehen.«
Ich musste lachen. Der Mann als Objekt des Repräsentierens.
»Lass das mal Eva nicht hören, Mädchen. Du zeigst dich gern an der Seite eines attraktiven Mannes. Die Sonne wirft ein paar Strahlen auf den Mond, und er ist nicht mehr so dunkel?«
Das hatte ich mal irgendwo gelesen, dass Frauen Männer umkreisten wie die Planeten mit ihren Monden die Sonne. Und sie leuchteten auch
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