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Agentur der boesen Maedchen

Agentur der boesen Maedchen

Titel: Agentur der boesen Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kinskofer
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darunter einen selbstgestrickten Pullover, andere Farbe. Es gibt Männer, an denen sehen selbstgestrickte Pullover hinreißend aus, ländlich-lässig und unkonventionell. Zu diesem Typ gehörte er nicht. Aber gut, mir stand auch nicht alles. Ich nahm mir fest vor, meinen Begleiter mit etwas mehr Achtung zu sehen. Wie sollte er gegen meine Mutter ankommen, wenn ich ihn schon für ein Weichei hielt?
    Im Gesicht meiner Mutter spiegelte sich Enttäuschung und Unzufriedenheit, als sie uns kommen sah. Der selbstgebackene Kuchen hatte sich offenbar nicht gelohnt. Nach den ersten Höflichkeiten begann das Kaffeetrinken, zunächst etwas schweigend.
    Meine Mutter fragte nach Rohmeisters Beruf, er gab wahrheitsgemäß Auskunft und ließ sich ihre demütigenden Blicke gefallen. Mir warf sie eher zornige zu. Ich trug’s mit Fassung. Der Nachmittag brachte mir mindestens fünfhundert. Daran musste ich ständig denken. Plötzlich ging sie zum Angriff über.
    »Ist das nicht etwas langweilig bei den Stadtwerken?«
    »Oh nein, mir macht mein Beruf Spaß.«
    »Wollten Sie nie etwas Besseres werden?«
    »Ich bin sehr zufrieden dort.«
    »Nun ja, meine Tochter hat ja auch nicht den Ehrgeiz, etwas zu erreichen, nicht wahr?«
    Ich versank fast in den Boden vor Scham. Rohmeister wusste nichts von mir, schließlich war er mein Klient und nicht umgekehrt, er brauchte auch nichts zu erfahren. Aber ich hatte die Rechnung eben ohne meine Mutter gemacht. Ich war wütend auf mich selbst. Wie hatte ich nur davon ausgehen können, dass das gutging? Ich würde völlig blamiert die Arena verlassen, nachdem meine Mutter uns beide abgekanzelt hätte, Rohmeister würde keinen Cent zahlen und mich verachten, die ich mich von meiner Mutter mindestens genauso bevormunden ließ wie er sich von seiner. Wie hatte ich nur arrogant auf diesen Mann hinunterschauen können?
    Nachdem niemand etwas sagte, setzte meine Mutter nochmals nach.
    »Die Universitätskarriere ist auf alle Fälle gescheitert. Sie macht nichts aus sich und nichts aus ihrem Leben.«
    Jetzt wurde Rohmeister wach. Für sich hatte er offenbar keine gute Behandlung in Anspruch genommen, aber auf mich ließ er nichts kommen.
    »Da bin ich ganz anderer Ansicht. Ich finde, dass Annette ihr Leben sehr gut gestaltet.«
    Woher wollte er das bloß wissen? Der log ja schon wieder.
    »Na, vielleicht hat sie Ihnen noch nicht die ganze Wahrheit erzählt …«
    »Ich muss doch sehr bitten, gnädige Frau. Ihre Tochter ist eine selbständige und selbstbewusste Frau. Sie weiß, was sie will, und sie bekommt es auch. Das sage nicht nur ich, das wissen alle in unserem Freundeskreis.«
    Ich war baff. So nett hatte schon lange niemand mehr über mich gesprochen. Ich sah das Männchen an meiner Seite mit ganz anderen Augen. Irgendwie war er in den letzten Minuten gewachsen, größer und stärker geworden. Und dann diese gewählte Ausdrucksweise. Aber meine Mutter gab sich nicht geschlagen.
    »Nun ja, aus Ihrer Perspektive mag das so aussehen. Als Mitarbeiter der Stadtwerke …«
    Sie hatte die letzten Worte nicht sehr freundlich betont. Es wurde nur allzu deutlich, dass sie Ferdinand, wie ich ihn jetzt schon in Gedanken nannte, für einen Versager hielt. »Ich habe sehr wohl bemerkt, dass Sie mein berufliches Fortkommen als ungenügend empfinden. Aber ich bin mit meinem Beruf sehr glücklich, und Annette stört mein fehlender Ehrgeiz offenbar auch nicht.«
    Meine Mutter wollte ihn unterbrechen. Den Mund hatte sie schon aufgemacht. Doch Rohmeister war noch nicht fertig.
    »Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie mit Ihrem Leben glücklich sind, Frau Ebert. Sie müssen es deshalb aber anderen nicht vermiesen.«
    Der Mund meiner Mutter blieb offen stehen. Das hatte gesessen. Doch Rohmeister setzte noch einmal nach.
    »Genieße, was dir Gott beschieden, entbehre gern, was du nicht hast, sagt der Dichter, und er hat recht.«
    Mein Gott, gebildet war er auch noch. Und jetzt nahm er sich schon das dritte Stück Kuchen.
    Auf dem Heimweg beglückwünschte ich Ferdinand. Er hatte sich tapfer geschlagen, wenn auch nicht unbedingt zu seiner, so doch zu meiner Verteidigung. Ich war nahe dran, auf eine Rechnung zu verzichten. Auch er schien zufrieden. Er überreichte mir einen Scheck über die ersten fünfhundert Euro, und wir verabredeten uns für kommenden Samstag zu einem weiteren Besuch bei meiner Mutter. Sie hatte uns zwar nicht eingeladen, aber was machte das schon.

Eva   Meine Tochter war noch nicht wieder aufgetaucht.

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