Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agentur der boesen Maedchen

Agentur der boesen Maedchen

Titel: Agentur der boesen Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kinskofer
Vom Netzwerk:
Entweder war sie mit ihrem neuen Vater oder mit ihrem alten Freund unterwegs. Keine Ahnung. Ich ging ein bisschen spazieren und beschloss dann, doch bei Annette vorbeizuschauen. Ich dachte, es könnte mir guttun, die Geschichte mit Hannes noch einmal zu erzählen.
    Ich traf Annette in bester Stimmung. Begeistert schilderte sie den Ausflug mit ihrem Kunden am Samstag, die Reaktion ihrer Mutter, den tapferen Helden, der sie so sehr in Schutz genommen hatte. Ich war weniger entzückt. Eigentlich war ich der Ansicht, dass Annette ihr Mutter-Problem selbst in den Griff bekommen sollte, statt sich von irgendeinem Rohrkrepierer – oder wie der Typ hieß – helfen zu lassen. Aber nachdem ich ihren Rat zum Thema heimgekehrter Kindsvater hören wollte, war ich etwas vorsichtiger als sonst und hoffte, dass sie bald mit ihrer Geschichte einem Ende entgegensteuern würde. Ich konnte ihr Problem ohnehin nicht ganz nachvollziehen. Ich sah meine Eltern zwar selten, aber wir hatten auch keinen Streit. Seit ich von zu Hause ausgezogen war, ließen sie mich leben, wie ich wollte, war ja auch weit weg von dem Dorf, wo die Leute tratschen konnten. Außerdem waren sie unheimlich stolz auf ihre Enkelin. Meine zwei Brüder und meine Schwester hätten bei weitem nicht so schöne und nette Kinder, sagte meine Mutter. Ich konnte das nicht beurteilen, der Kontakt zu meinen Geschwistern war eher spärlich und lief mehr über meine Eltern.
    Annette war inzwischen mit ihrer Geschichte schon bei der Heimfahrt vom Mutter-Besuch angekommen, das heißt, ich hatte gute Chancen, bald mit meiner anfangen zu können. Wir saßen im Büro herum, ging ja auch nicht anders, es sei denn, wir hätten in der Mini-Küche auf den Plastikstühlen oder im Schlafzimmer auf dem Bett Platz genommen. Beides hatte ich dankend abgelehnt. »Nächsten Samstag fahren wir wieder zu meiner Mutter. Und er zahlt wieder fünfhundert.«
    Aha. Annette war fertig mit ihrer Geschichte. Das mit den fünfhundert hätte sie nicht unbedingt anfügen müssen. Ich spürte etwas wie Neid in mir aufsteigen.
    Ich fing mit meiner Story an und kam gerade zu der Szene, in der Hannes seine Tochter wiedersah und sie so begeistert auf ihn reagierte, als das Telefon klingelte. Annette stand auf und hob ab. Ich nahm ihr das übel, schließlich war ich in schlechter Verfassung. Wo war nur ihr bekanntes Mitgefühl geblieben? Beleidigt zog ich in Richtung Klo ab.
    Als ich zurückkam, hielt Annette den Hörer noch in der Hand und sah mich erwartungsvoll an. Geheimnisvoll legte sie die Hand auf die Muschel. Sie flüsterte fast.
    »Da möchte einer mit einer Frau Ehekrach üben.«
    »Kann er ja mit seiner machen.«
    »Eva, das wäre doch ein Fall für dich. Ein Abendessen im Lokal, du darfst dich aufführen, wie du willst, sagte er. Das täte seine Frau auch immer.«
    »Bin ich ein Monster, oder was?«
    »Du kriegst fünfhundert auf die Hand.«
    Geld wirkte bei mir in dieser Zeit fast magisch. Vielleicht auch deshalb, weil ich Angst hatte, Hannes könnte mir meine Tochter sozusagen abkaufen, sie mit seiner Kohle beeindrucken. Und von meinem Gehalt hatten Clara und ich nie besonders große Sprünge machen können. Außerdem war irgendwann einmal mein Einstieg bei der neuen Firma gefragt. Schließlich hatte ich versprochen mitzumachen, aber den ersten Auftrag schon abgelehnt.
    »Also o.k., wenn es zeitlich passt.«
    »Heute Abend, acht Uhr, der Grieche in der Kölner Straße.«
    Ich seufzte schwer. Das war alles reichlich schnell, aber eigentlich hatte ich Zeit, und ein bisschen Ablenkung würde nicht schaden.
    »Ist gut, ich mach’s.«
    Annette machte den Rest mit dem Anrufer klar, versprach ihm eine schwierige Gesprächspartnerin, also mich, und legte auf. Ihre gute Laune ging mir inzwischen auf die Nerven. Depressiv war sie mir fast lieber. Diese aufgekratzte Tour konnte ich im Moment gar nicht leiden. Dennoch war sie insofern die alte Annette, als sie sich innig auf mein Problem einließ.
    »Und dass du dich mit Hannes irgendwie arrangierst?«
    »Warum sollte ich?«
    Annettes kompromissbereite Vorschläge waren mir schon immer ein Gräuel. Dennoch war sie die netteste Freundin, die ich hatte. Schadenfreude war ihr fremd, und ihr Mitgefühl war immer echt, zumindest dachte ich das. »Zum Beispiel wegen eurer gemeinsamen Tochter.«
    »Was hat denn die mit der Beziehung zu tun?«
    »Sie ist das Ergebnis derselben.«
    So schlagfertig hatte ich Annette selten erlebt. Ich musste erst einmal tief Luft holen.

Weitere Kostenlose Bücher