Agentur der boesen Maedchen
nicht alle unsere Chancen nutzen.«
»Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht alle Chancen bekommen.«
»Ich muss in den Laden zurück«, warf Lucie ein.
Ich stand auf und fing sie ein.
»Nein, Lucie, du bleibst jetzt da. Das hörst du dir an. Wir beide sind vielleicht die letzten Fossile in dieser Stadt, die etwas genauer hinsehen, wenn es um Chancen für Frauen geht. Und was Karin passiert ist, ist nach wie vor typisch. Man darf so eine Arbeit über die Benachteiligung von Mädchen schreiben, aber unterstützt wird man dabei nicht, selbst dann nicht, wenn man faule Kompromisse macht und schreibt, dass die Frauen an ihrem Unglück selbst schuld sind.«
Karin bekam rote Ohren vor Ärger.
»Wenn meine empirische Untersuchung ergibt, dass Frauen zu blöde sind, mit Männern zu ihrem eigenen Vorteil zu kooperieren, dann ist das ein Ergebnis, das ich nicht einfach unter den Tisch kehren kann. Und wenn es durch deine lila Brille anders aussieht, dann kann ich dir nicht helfen.«
»Mädchen werden von Geburt an anders erzogen, das weißt du genau, mach dir doch nichts vor.«
»Ach ja? Deshalb ist auch aus deiner Tochter eine Tussi geworden, nicht wahr Eva? Die ist doch hinter jedem Macker her, weil sie zu Hause nie einen zu Gesicht bekommen hat.«
Endlich waren wir wieder im alten Muster. Es musste ja schon Monate her sein, dass wir so herrlich gestritten hatten.
»Meine Tochter ist nicht allein von mir erzogen worden, Karin. Sie war im Kindergarten und in der Schule, und ihr ist oft genug gesagt worden, dass eine unangepasste Frau so unglücklich ist, wie ihre Mutter offenbar eingeschätzt wird.«
»Das bist du auch, unglücklich und verbiestert. So ab und zu ein Mann, das hätte dir nicht geschadet.«
»Hört doch auf zu streiten«, schaltete sich Lucie wieder ein, die ich behutsam in die Mitte des Raumes geführt hatte und der ich den Fluchtweg zur Tür versperrte. Elegant ignorierte ich Karins Unverschämtheit.
»Sag doch du mal deine Meinung«, forderte ich Lucie auf.
»Ich finde es nicht gut, dass du Karin so angreifst. Es geht ihr doch jetzt wirklich schlecht genug.«
Karin schluchzte schon leicht unterdrückt. Und ich wurde nun laut.
»Aber ich bin nicht daran schuld. Das haben ihr einige Männer in einer Kommission eingebrockt, die auf dem Geld einer Forschungsgesellschaft hocken und diese Kohle so vergeben, wie es ihnen in den Kram passt.«
»Aber du setzt noch eins drauf.«
»Ich habe immerhin den Vorschlag gemacht, dass wir diese Arbeit veröffentlichen könnten.«
Karin knallte ihre leere Tasse samt Untertasse auf den Tisch, und es klirrte verdächtig.
»Wenn du das Buch lektorierst, kann ich drauf verzichten. Deine Art der Bearbeitung kenne ich. Das soll schließlich kein feministisches Pamphlet werden, sondern eine solide wissenschaftliche Arbeit.«
Jetzt war es an mir, zurückzuschlagen. Ich ging wütend auf Karin zu.
»Solide Wissenschaft, so wie sie die Typen seit Jahrhunderten betreiben und dabei alles ignorieren, was irgendwie weiblich ist. Such dir doch einen alten Knacker, der dich finanziert, deine Klamotten und dein Hobby, das du wissenschaftliche Arbeit nennst. Du musst dich nur gelegentlich dafür flachlegen.«
Karin verließ heulend das Büro. Lucie sah mich böse an. Es war mir peinlich, so ausfallend geworden zu sein.
»Lucie, es tut mir leid.«
»Eva, du solltest mal darüber nachdenken, ob du wirklich deinen Männerhass auf Frauen ausdehnen musst, die noch mit Männern Umgang pflegen.«
»Wie meinst du das?«
»Buchhandlung und Verlag leben nicht mehr von den wenigen Feministinnen, die noch rumlaufen. Du hast selbst gesagt, dass wir die letzten unserer Sorte sind.«
»Das nehme ich zurück. Ich bin die letzte.«
»Na. gut, von mir aus. Aber der Trend geht zur leichten Lektüre über emanzipierte Frauen. Und dementsprechend sollten wir auch unser Verlagsangebot erweitern. Es muss nicht immer was Schweres sein.«
»Das ist mir ja ganz neu.«
»Denk mal drüber nach.«
Lucie verdrückte sich. Und ich wusste genau, dass ich darüber nicht nachdenken wollte. Feminismus light, pfui Teufel. Wenn die Emanzipation darin besteht, mit möglichst vielen Männern ins Bett zu gehen, dann konnte ich gut darauf verzichten. Ich bekam allmählich den Verdacht, Annettes Agentur würde in Zukunft öfter auf meine Dienste zurückgreifen können. Wer konnte schon absehen, wie das hier weiterging?
Annette Ich hatte es noch nicht übers Herz gebracht, meine Mutter anzurufen und
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