Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Wenig später rauschte der Zillenbug über eine Schlickbank ins Schilf. Albrecht und Agnes sprangen an Land; die Fergen, die bereits in Dasing bezahlt worden waren, blickten ihnen nach; zuvor hatten sie der Bernauerin auf deren Anteil nehmende Frage hin noch versichert, dass sie mit einem der nächsten Treidelzüge ohne Weiteres an ihren Ausgangspunkt zurückkommen konnten.
„Die beste Entscheidung, die Ihr treffen konntet, Herr!“, schnaubte der Hauptmann der Kavalkade, als er dem Wittelsbacher und dessen trotz der Heimsuchungen noch immer berückend schöner Mätresse eigenhändig die Rösser zuführte. „Weg von der Paar, raus aus dem Sumpftal hier – und auf dem direkten Weg über die Moosebene nach Vohburg, das rate ich Euch!“
Albrecht stimmte zu, half der Blonden in den Damensattel, wartete ab, bis sie den Bügel über dem seitlich offenen Sitz eingeklinkt hatte, schwang sich dann selbst auf den Rücken des Rappen. „Wenn wir erst an der Donau sind, dann werde ich dir zeigen, wie man richtig reitet!“, rief er Agnes noch zu, ehe er den Hengst in Trab setzte. Die Bernauerin nickte lachend, trieb ihrerseits mit der Gerte den Zelter an, und dann genossen sie, ebenso wie die zwei Dutzend Reisigen, die ihnen folgten, den erfrischenden und befreienden Luftzug.
Etwa drei Stunden später – Albrecht hatte die Tiere mit Rücksicht auf seine Geliebte, die im Sattel noch ungeübt war, nicht sprengen wollen – sahen sie den großen Strom und an seinem südlichen Ufer Vohburg vor sich. In weichem Schwung zog sich die in den Jahren 1414 und 1415 von Herzog Ernst errichtete Ringmauer um die Stadt, dahinter ragten die Zinnen und Türme der neuen Burg auf, die ebenfalls erst kürzlich über den Ruinenresten der ursprünglichen Festung 27 erbaut worden war. Im vergangenen Frühling war der Grafensitz frisch gekalkt worden; nun leuchtete er unter der bereits schräg stehenden, warmgoldenen Sonne wie etwas Verwunschenes über das Donaumoos hin. Jenseits des Flusses, als habe die Natur ihrerseits einen zusätzlichen Kontrast setzen wollen, erstreckten sich die Ausläufer der Fränkischen Alb; freilich waren die karstigen und kalkfelsigen Konturen nur verschwommen zu erkennen, denn zwei oder drei weitere Reitstunden wären bis dort hinüber nötig gewesen.
„Es ist schön hier!“ Agnes Bernauer hatte den Zelter gezügelt, betrachtete das Panorama mit begeistertem Blick.
„Ich freue mich, dass sie dir gefällt, die Vohburger Grafschaft“, erwiderte Albrecht, den stampfenden Rappen an der Seite der Blonden haltend. „Aber das muss sie ja schließlich auch! Wie sonst könntest du hier deine neue Heimat finden?!“
„Meine Heimat“, beteuerte die Mooräugige versonnen, „wäre überall, wo du wärst! Ich wäre dir auch gefolgt, wenn du mich in ein ganz fremdes Land geführt hättest …“ Noch während sie sprach, lichtelte ihr die Erinnerung zurück nach Augsburg; die ungeheure Überraschung, die der Wittelsbacher ihr dort vor wenigen Wochen bereitet hatte, wurde ihr wieder gegenwärtig.
Dass sie leider das Häuschen unter der Mauer aufgeben müssten, hatte er ihr gesagt; doch nur, um künftig zusammen ein Schloss zu bewohnen. Der alte Herzog, der Ernst, habe nämlich von ihm verlangt, dass er, Albrecht, sich ab sofort energisch um die Grafschaft an der Donau zu kümmern habe; während der folgenden Jahre sei dort für den Herrn, der sein Sohn bisher leider nur dem Titel nach gewesen sei, eine Menge zu tun. Am besten lasse sich der Thronerbe gleich ganz in der Vohburg nieder, bis die Stadt zu Füßen des Schlosses den nötigen Aufschwung genommen habe. – Und das, so wieder der Dunkelhaarige in Augsburg, sei doch die Gelegenheit, auf die sie beide schon so lange gewartet hätten! Auf dem abgelegenen Sitz werde es gewiss keinen Hofklatsch und keine Intrigen geben; sie könnten dort fast wie ein ganz normales Paar zusammen hausen. Ein Glücksfall sondergleichen sei es, was der Alte unwissentlich in die Wege geleitet habe! Auf der Stelle solle sie, Agnes, zu packen beginnen, und sobald ihr Augsburger Domizil aufgelöst sei, könne man die kleine Reise antreten. – So also war es gekommen, dass sie ihm nun ins Donaumoos gefolgt war, und jetzt lagen die Burg und die kleine Stadt, die zu ihrem Liebesnest werden sollten, vor ihnen.
Gerade in dem Moment, in dem sie wieder in die Gegenwart zurückfand, fühlte Agnes, wie Albrechts Hand – er hatte den Hengst inzwischen zur Räson gebracht – nach der ihren
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