Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
kroatische Glaubenskämpfer abgestellt.
Albrecht, die ganze Zeit über die Feldflasche umkrampfend, wartete ab, bis die Abteilung des Generalissimus endlich außer Sicht gekommen war. Dann zerknirschte er einen Fluch zwischen den Zähnen, bellte mit dem nächsten Lidschlag sein eigenes kleines Gefolge an: „Vorwärts jetzt! Gleich über die Hügel! Zu unseren Truppen!“
Die Rösser bäumten sich, schnaubten, preschten los; die verstrüppten Chambhänge entlang, nach Nordosten. Im Eilritt überholten der Wittelsbacher und seine Leibwache das Heer. Wie etwas Fremdes, mit dem er im Grunde gar nichts zu tun hatte, kam dem Dunkelhaarigen das Gewälze im Talgrund wiederum vor; einmal mehr fragte er sich, ob es denn wirklich die wahre Religion war, die sie auf diese Weise nach Böhmen hineinzupeitschen versuchten. Sich eine endgültige Antwort darauf zu geben, erlaubte er sich freilich nicht; es hätte bedeutet, dass er das Gewissen über den Fürstenhut hätte stellen müssen – oder umgekehrt. So ließ Albrecht sich zuletzt lieber betäuben und harsch lullen vom Rhythmus des wechselweise trabenden und galoppierenden Hengstes; nach zwei oder drei Meilen dann schien die katholische Armee sich an ihrer Spitze aufzufasern, schien sie sich in überschaubarere Elemente aufzugliedern. Der Trupp des Herzogs von Bayern-München hatte die Vorhut erreicht, der auch die Straubinger und Oberländischen angehörten. Der Dunkelhaarige lenkte seinen Rappen hinunter ins Tal; als er sich mit seinen Leuten einreihte zwischen dem Sattelbogener und dem Chamerauer Haufen, war in der Ferne bereits der Kirchturm von Arnschwang zu erkennen.
In der Nacht lagerte das Heer dort sowie in den umliegenden Weilern und Gehöften oder einfach auf den Feldern und Weiden dazwischen. Am nächsten Morgen blieb die ganze Gegend verwüstet zurück, und nun wälzte sich der rumpelnde und klirrende Wurm auf Furth zu. Die Adligen und die Hauptleute fanden Quartier in der dortigen Burg; der Pfleger traktierte sie mit Wein, Braten und Weibern. Im Verlauf der letzten dunklen Stunden vor dem Überschreiten der Grenze kam es auf dem Schloss zu einer Orgie; Albrecht freilich hielt sich abseits, hielt sich bloß an den Pokal und dachte immer wieder mit einem jähen Reißen im Herzen an die Bernauerin.
Kurz nach der Dämmerung gab es ihm noch einen zusätzlichen Riss im Inneren; eine Streifschar von Spaniern war während der Nacht ein kleines Stück nach Böhmen vorgedrungen und hatte etliche Gefangene zurückgebracht. Um verstörte Bauern, ganz offensichtlich, handelte es sich, doch als sie im Morgengrauen auf dem Marktplatz von Furth zur Schau gestellt und dabei hanebüchen misshandelt wurden, brach sich das Tier unter den hier lagernden katholischen Rotten unversehens Bahn. „Hussen! Ketzer! Gotteslästerer!“, gellte es plötzlich aus hundert und aberhundert Kehlen. Der Cesarini hätte einschreiten können, wenn er gewollt hätte, tat’s aber nicht, und wenig später baumelten die Böhmischen an den Hanfstricken. Mit gebrochenem Genick die einen, schier endlos sich verzappelnd die anderen; einem Weißhaarigen, in dem die außer Rand und Band geratene Soldateska einen hussitischen Priester vermutete, hatte man zuvor die Zunge aus dem Rachen gerissen. Unter solchen Vorzeichen ging es, kaum dass die noch wässrige Sonne eine Handbreit weitergerückt war, endgültig auf den Grenzkamm zu, und im Lauf des so bestialisch begonnenen Tages fasste das Kreuzheer im äußersten Randbereich des protestantischen Landes Fuß.
Wenn Albrecht von Bayern-München in späteren Jahren an die nun folgenden Erlebnisse zurückdachte, packte ihn jedes Mal das Grauen. Denn der päpstliche Kardinallegat Cesarini führte das ohnehin zutiefst fragwürdige Unternehmen nicht als Militär, sondern als Metzler. Ums Ausrotten, ums Schlachten, ums Menschenschinden ging es ihm, nicht um Taktik oder Strategie gegen die Truppen Prokops. Zum abscheulichen Fanal für den ewigen religiösen Wahn wurden die Schandtaten des Italieners, die Kriegsverbrechen der ihm untergeordneten Adligen, Hauptleute und Landsknechtshaufen. Wirr, ungeordnet, ganz einfach dem Blutrausch nach, durchstreiften die Katholischen die böhmischen Wälder, fielen über Dörfer, Gehöfte und dann weiter draußen im Tal der Radbusa auch über Marktflecken und Kleinstädte her. Der Widerstand war gering, fand vielerorts gar nicht oder mit nicht viel mehr als nackten Händen statt; die reguläre hussitische Armee zeigte sich in
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