Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
derartige Geschenke gemacht; es war niemals nötig gewesen zwischen ihnen, deswegen war Agnes nun auch verwirrt. Ihre Verwirrung steigerte sich noch, als er jetzt, ganz zart, nach ihrer Rechten tastete, den vierten Finger suchte und ihr das Kleinod ansteckte. Ein Lächeln und zugleich ein tiefer Ernst spielten und changierten dabei über sein Antlitz; leise fragte die Blonde: „Was hat das zu bedeuten?“
„Der Reif steht für ein Versprechen, das ich dir geben möchte“, erwiderte der Dunkelhaarige; nach einem kaum merklichen Zögern sagte er es. „Es ist alles so tief geworden zwischen uns, seit ich zu dir zurückkam – und ich möchte das Symbol dafür jeden Tag an dir sehen …“
Schenken wir uns denn nicht jeden Tag mehr als bloß etwas Symbolisches?, war Agnes versucht zu fragen; mit dem gleichen Herzschlag aber begriff sie, dass sie ihm damit unrecht getan hätte. Sie hätte dieses plötzliche Wissen um seine tieferen Beweggründe nicht erklären können; sie erspürte lediglich, was in ihm vorging, mit Sicherheit seit Wochen schon in ihm vorgegangen war – und dann sah sie plötzlich mental ein Bild vor sich: einen Prunksaal in München, darin der junge Herzog und eine gesichtslose hochadelige Braut, und die Verlobung wurde mit strahlendem Prunk gefeiert, während draußen das Volk jubelte. Im nächsten Moment verwich ein Teil der Erscheinung; anstatt der Anonymen stand nun sie, Agnes, unter den Kandelabern, und der Wittelsbacher trat auf sie zu, den Ring in seiner Hand, aber auf einmal begann das Schrillen und Pöbeltoben, und zwischen ihrer und seiner Hand schien ein Schwert niederzufahren; ein Alter führte es, Wut stand in den Augen von Herzog Ernst. Und sie selbst musste fliehen, weggepeitscht wurde sie; nichts blieb zurück als kantige, durchmesserte Leere …
„Ich gehöre dir, allein dir, auf immer und ewig!“, hörte Agnes Bernauer sich sagen. „Ob mit oder ohne Ring; ein goldener Reif kann meiner Liebe kein Quäntchen wegnehmen oder hinzufügen! Aber ich weiß jetzt, was du mir schenken willst mit dem Kleinod, und wenn du es gerne an mir siehst, will ich es auch tragen; jeden Tag!“
„Jeden Tag …“, wiederholte der Wittelsbacher. „So ist es gemeint, bis vielleicht einmal ein anderer Tag kommt, an dem wir …“
„Nicht!“, flüsterte Agnes; es fröstelte sie jäh, sie unterdrückte die Regung mit Gewalt, er sollte es auf keinen Fall bemerken. „Nicht …“, wiederholte sie, legte ihm den Finger, den mit dem Ring, auf die Lippen. „Es ist alles gut; es ist alles gut so, wie es ist! Waren wir nicht verlobt und verheiratet dazu, von unserer ersten Nacht an? War nicht immer mehr zwischen uns als zwischen anderen Liebenden je sein könnte? Warum hast du Angst, mein Herz? Du musst dich nie, niemals ängstigen um das, was zwischen dir und mir, zwischen uns, lebt …“
„Ja, ich hatte Angst; ich sah zu viel Sterben, zu viel Sinnlosigkeit“, gab der Dreißigjährige zu. „Doch jetzt ist sie verschwunden, weil du mir dein Verstehen geschenkt hast; weil du gespürt hast, was ich dir sagen wollte. Weil du mir gegeben hast, was ich so sehr brauche von dir …“
„Immer, immer sollst du es bekommen!“, murmelte die Blonde, im Kuss schon, im Sichfestklammern an dem Mann; im Haltsuchen gegen die eigene, immer noch nachzitternde Furcht. Aber dann wurde die Beklemmung weggeschwemmt vom Geborgensein in den Armen Albrechts; nichts zählte mehr als die Wärme des Himmels und des Wildgrases, und die Natur selbst fing die bebende Seele der jungen Frau auf.
*
Die Blonde trug den Ring, den Herbst dieses denkwürdigen Jahres 1431 hindurch und dann in den Frühwinter hinein. Das Leben in Vohburg ging jetzt wieder seinen geregelten Gang; zumindest äußerlich schien es so, als habe das Gemetzel in den böhmischen Wäldern niemals stattgefunden. Freilich musste der Wittelsbacher in dieser Zeit mehrmals nach München reiten, wo er auch gleich nach seiner Rückkehr damals einige ungute und zerrissene Tage geweilt hatte; wegen der Hussitenfrage und wegen der Neuordnung des dezimierten Heeres waren seither noch etliche weitere Ratssitzungen anberaumt worden. Mit dem ersten Schnee jedoch war die Bedrohung durch die vermeintlichen Ketzer wenigstens bis zum folgenden Frühjahr gebannt; das Land diesseits und jenseits des Grenzkammes igelte sich ein in die Winterruhe, und die heimlich Verlobten an der Donau hatten den Nutzen davon.
Nach wie vor unternahmen Agnes und Albrecht ihre Ausritte, doch
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