Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
scheidet; deswegen hab’ ich sie und das Kind zu mir nach Straubing genommen, deswegen halte ich zu ihr, und wenn du mich von ihr trennen willst, dann gibt’s nur einen Ausweg: Dann musst du mich erschlagen!“
Der Alte taumelte zurück, als hätte ein verheerender Schlag ihn getroffen. Bläulich standen ihm die Lippen im kalkweißen Antlitz. Sein eines Auge wirkte starr, wie gelähmt; das Lid über dem anderen zuckte hektisch. Ein paar haltlose Schritte lang schien es, als würde er zusammenbrechen, aber dann fand er wiederum Halt an der Kredenz. Diesmal jedoch rührte er den Wein nicht an, krampfte bloß die Faust um den Kelch, bis das Silber knirschte; aus dem Knirschen heraus, gleich darauf, schienen seine gepressten Worte zu dringen: „Du hast mich verraten … wie kein Sohn je den Vater! Ich könnte dich einkerkern lassen dafür … die Metze an den Galgen bringen! Den Hundspfaffen dazu … den Vohburger! Das Balg könnte ich ersäufen lassen … noch heute in der Donau …“
„Wenn du meinem Weib, meinem Kind oder dem Priester auch nur ein Haar krümmst, sage ich mich von dir los!“ Am Dolchgriff lag Albrechts Faust; weiß, wie Totengebein, wirkten die Knöchel über dem goldenen Heft. „Dann brichst du einen Krieg zwischen mir und dir vom Zaun! Dann schlage ich mich auf die Seite des Ingolstädters, auch wenn’s mein Untergang sein sollte! Aber deiner ist’s dann auch, Vater! Weil du dann keinen Erben mehr hast, weil dann alles sinnlos war in deinem Leben!“
„Geh!“ Das eine Wort bloß noch, sonst nichts, hatte Herzog Ernst von Bayern-München übrig für seinen Sohn.
Der Dunkelhaarige gehorchte, schritt steif aus dem Kabinett, durch die angrenzenden Säle, über die Treppe. In die Nacht hinein stolperte er, draußen auf dem Hof. Einen Moment lang war er versucht, sich in die Alte Veste zu flüchten, die ihm irgendwann einmal Heimat und vertraut gewesen war. Doch dann wandte er sich seitlich, den Ställen zu, und scheuchte brutal die Knechte dort drinnen auf. Einen frischen Renner mussten sie ihm satteln, zudem die Männer der Leibwache wieder heranholen. Die ganze Zeit über, während er auf die Geharnischten wartete, befürchtete Albrecht, dass der Glotzäugige seine eigenen Hellebardiere gegen ihn hetzen könnte. Aber es blieb ruhig im Palas, und schließlich sprengte der Straubinger Trupp davon; die Männer fluchend oder verdattert, der Statthalter an der Spitze wie ein Tobsüchtiger.
Auf dem Menzinger Hof fielen sie ein, um die Mitternacht, doch auch dort fand der Thronerbe, falls er es überhaupt noch war, keine Ruhe. Der Körperduft der Blonden, der noch immer in den Kissen zu hängen schien, ließ ihn kein Auge zutun; mit dem ersten graugrießeligen Morgenlicht jagte Albrecht die Kavalkade weiter. Tief in der folgenden Nacht dann erreichten sie Straubing. Wiederum schlammüberkrustet und durchnässt bis auf die Haut taumelte der Zweiunddreißigjährige in die Kemenate. Agnes fuhr hoch im Bett. „Es ist etwas Furchtbares geschehen in München, ich spüre es“, so lauteten die gehetzten Worte, mit denen sie ihn begrüßte.
Albrecht berichtete ihr alles. „Wenigstens weiß er nun Bescheid, und ich habe mich endlich auch vor dem Hof zu dir bekannt!“, schloss er. „Längst hätte ich es tun müssen; nie hätte ich das zwielichtige Spiel treiben dürfen – es war unser unwürdig!“
„Es war kein Spiel, und es war auch nicht zwielichtig, weil alles allein aus unserer Liebe heraus geschah!“, versetzte die Blonde. Mit fester Stimme sagte sie es; gleich darauf jedoch spürte er ihre kreatürliche Furcht, als sie hinzufügte: „Aber was wird nun werden?! Was wird der Alte in seiner Wut tun?!“
„Wir müssen es abwarten“, erwiderte der Dunkelhaarige. „Immerhin bin ich unangefochten zu dir zurückgekommen; das ist schon viel!“
„Nichts anderes zählt!“, bekräftigte Agnes tapfer, und dann barg sie ihn tief in ihrer eigenen Angst, bis die gemeinsame verzweifelte Lust ihnen alle Qual und alles Denken auslöschte; für den Augenblick zumindest.
*
Der Dezember 1433 drehte sich in den Januar des Jahres 1434 hinein; zittrig schienen die Dinge in der Schwebe zu hängen. In den ersten Tagen des Hornung 60 dann freilich gelangte vom Münchner Hof eine weitere Hiobsbotschaft nach Straubing. „Herzog Wilhelm und Margarethe von Cleve sind Eltern eines gesunden Sohnes geworden“, meldete in einem vertraulichen Schreiben der Sedlec. Weiter hieß es in der Depesche: „Herzog Ernst
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