Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
sich zusammen; im Umgang mit ihnen verzichtete er darauf, seinen Stand herauszukehren; er stellte sich auf eine Stufe mit ihnen um des gemeinsamen Zieles willen, und sie dankten es ihm durch Leistungen, die sie sich bislang möglicherweise selbst nicht zugetraut hatten. Handel und Gewerbe blühten allmählich auf in der Nebenresidenz, besser als bisher wurde der natürliche Reichtum der Donau und der Forste genutzt. So manchen zusätzlichen Gewinn konnten die Schreiber im Schloss in ihre Rechnungsbücher eintragen; unter scharfer Bewachung ging im März eine gespickte Geldtruhe nach München, eine weitere im Juni. Dennoch rupfte der frischgebackene Statthalter die Menschen seines Territoriums nicht über Gebühr. Er schöpfte seinen Gewinn ab, ließ ihnen aber auch den ihrigen; oft genügte es zur gemeinsamen Zufriedenheit schon, dass er die Kaufleute, Handwerker, Bauern, Fischer oder Forstmeister vor willkürlichen Übergriffen des Kleinadels schützte. Dies trug ihm, wenn auch vorerst nur unterschwellig, freilich den Hass so manchen Ritters ein.
Praktisch völlig unangefochten und selbstherrlich hatten diese Wappenträger seit 1425, als der Straubinger Erbfolgestreit ausgebrochen war, auf ihren Burgen gesessen. Es hatte keine Macht mehr gegeben, die sie zu zügeln vermocht hätte, und auf nicht immer legale Weise hatten sie mächtig ihren Vorteil daraus zu ziehen gewusst. Jeder war sich selbst der Nächste gewesen, und viele von ihnen hatten das Volk ausgeschunden. Auch nach dem Mai 1429, als Gäu und Wald im Wesentlichen an Bayern-München gefallen waren, hatte sich nicht viel an der Willkür der Niederadligen geändert; mit den einfachen herzoglichen Verwaltern, die zwischen 1429 und Januar 1433 im Straubinger Schloss gesessen hatten, waren die Ritter oft wie mit besseren Lakaien umgesprungen. Umso härter kam es sie an, dass dort jetzt wieder ein Wittelsbacher residierte; einer, der das Herrschen ganz offensichtlich verstand, noch dazu. Ruppig wurde deswegen geraunzt und gebelfert gegen Albrecht auf den Festungen entlang des Stromes und drinnen im Nordwald; die Wut auf ihn war noch gewachsen seit damals, da die Kleinadligen ihm zu Jahresbeginn hatten huldigen müssen. Dass er zu neumodisch sei, zu freundlich gegenüber dem Pöbel, so redeten sie über ihn; den Dunkelhaarigen jedoch ließ dies kalt. Er hatte den Erfolg aufzuweisen, den er weniger als Statthalter denn aus ganz privaten Gründen brauchte, und wenn er heimlich nach Menzing ritt, was mindestens einmal im Monat geschah, dann vergaß er die aufmüpfigen Ritter sowieso.
Dann zählten nur noch Agnes und das Kind, dann war die grobklotzige Residenz am Altwasser der Donau auf einmal sehr weit weg; dann durfte er sich in der Nähe seiner heimlichen Familie endlich wieder als Gatte und Vater fühlen – und dann durften die Blonde und er auch die Zukunftspläne schmieden, die gegen den Sommer 1433 hin immer konkreter und handfester wurden. Im August schließlich, als überall im Herzogtum die Ernte eingebracht wurde, hielt Albrecht die Zeit für gekommen, auch seinen persönlichen Weizen wieder zum Blühen zu bringen; im oberländischen Bett, nach einem hitzigen Beischlaf, machte er seinem morganatischen Weib folgende Eröffnung.
„Mein Vater kann zufrieden sein mit mir; es ist alles so gelaufen, wie ich es mir nach meiner Ernennung vorgenommen hatte“, sagte er. „Unentbehrlich habe ich mich gemacht in Straubing; jetzt habe ich gegenüber dem Alten so gute Karten in der Hand wie schon lange nicht mehr. Deswegen sollst du schon morgen mit dem Packen beginnen, mein Herz; ich glaube, es wird nicht gleich einen Aufstand in München geben, wenn ihr jetzt wieder zu mir an die Donau zieht.“
„Du meinst wirklich, dass er’s hinnehmen wird?!“ Die Stimme der Mooräugigen zitterte zwischen Freude und Furcht.
„Er wird nicht gerade frohlocken, wenn er es erfährt“, erwiderte der Dunkelhaarige, „aber er kann es auch nicht riskieren, sich offen mit mir anzulegen! Verärgert er mich, dann werden die Straubinger Steuern eben nicht mehr so reichlich an die Isar fließen wie bisher! Das weiß er, und weil er das Geld braucht, wird er notgedrungen den Mund halten müssen!“
„Darin magst du ja recht haben“, gab Agnes zu, „doch ich habe vorhin eher an etwas anderes gedacht: dass dein Onkel, der Herzog Wilhelm, sich kürzlich verheiratet hat! Die Herzogin Margarethe von Cleve hat er in der Konzilsstadt Basel zum Altar geführt; man munkelt sogar, dass
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