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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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anschließend auferlegte, fiel milde aus. Der Dunkelhaarige hatte nur Lässliches 74 zu beichten gehabt. Dass er kürzlich mit der Reitpeitsche auf den Sinay losgegangen war, hatte er dem katholischen Kanon zufolge erst gar nicht erwähnen müssen; in den Augen der Kirche hatte er damit eher eine verdienstliche Tat vollbracht.
    Dennoch zischelte der Priester nun plötzlich den Namen des Juden: „Der Sinay und die anderen beleidigen Gott! Vergebt, Herr, dass ich Euch im Beichtstuhl belästigen muss damit! Es ist aber so, dass der Teufel überall seine Haufen scheißt, und Christenpflicht ist es, stets wachsam zu sein! Gerade Ihr als der Landesherr und ich als Euer Seelenhirte sind da noch mehr als andere gefordert!“
    „Der Scherbentändler? Was soll mit ihm sein?“ Die Stimme des Wittelsbachers klang gepresst desinteressiert. Vielleicht deswegen, weil er tief drinnen, irgendwo im Bereich seiner Herzgrube, schon wieder den Neid, das Klemmende, das Ungute fühlte. Doch noch kämpfte er an dagegen, setzte hinzu: „Und was ist mit den anderen Juden? Sie kuschen doch! Ich wüsste nicht, dass sie sich etwas Größeres zuschulden hätten kommen lassen in letzter Zeit …“
    „Nicht im hellen Tageslicht! Nicht unter Gottes unschuldigem Himmel“, fiel ihm der Kleriker ins Wort. „Aber heimlich, Herr! Nächtens …“
    „Was geschieht nächtens in meiner Stadt?!“, fuhr Albrecht nun doch auf.
    „Sie treiben es in den katholischen Kirchen mit den christlichen Weibern!“, raunte ihm der Heinrich, den speichelnden Mund ganz nahe am Gitter des Beichtstuhles jetzt, ins Ohr. „Der Joppel, der Hirsch, der Elias, der Mair und der Josepp, der Kopfel, der Markert, ebenso der Mandel und der Michelin, der Grässel auch – und vor allem der Sinay! 75 Einen belialischen Zauber müssen sie über die Mägde und Bürgerstöchter geworfen haben, damit die ihnen willfährig sind! Damit die vor dem Altar die Röcke heben und ihn darunter hineinfahren lassen, den abscheulichen Judenschweif! Unbeschreibliche Unzüchtigkeiten passieren da; ich schwör’s Euch, Herr! Dinge, die einem christlichen Mann noch nicht einmal im Traum einfallen würden! Sünden, wie sie eben bloß der mosaische Teufel seiner Brut eingeben kann …“
    Das Zähneknirschen des Wittelsbachers ließ den Priester abbrechen. Ein Frohlocken verspürte der Kleriker in der Brust; ein beinahe schon orgiastisches. Er war nicht mehr allein mit seinem Hass, er hatte einen Verbündeten gefunden, er roch es dem Statthalter förmlich an; hatte es schon gleich damals gewusst, als der andere die Peitsche hatte schnalzen lassen. Im Inwendigen Albrechts wiederum hatten die gezischelten Worte des Beichtigers nun die alte Wunde wieder grässlich zum Bluten gebracht. Das Schwert schien sich neuerlich in seiner Brust zu drehen, und auf der Klinge waren die Worte „verbitterte Liebe“, „Rebellion“, „Unverstandensein“, vor allem aber „HaßLiebeHaß gegenüber dem Vater“ eingeätzt. Und das Eisen zerfetzte ihm wieder, was er in der letzten Woche so mühsam als Wall gegen seine Heimsuchung aufgerichtet hatte. Wiederum schien er wie im Blutrausch die Donau hinunterzusprengen, um dann in seiner Verzweiflung den Rappen herumzuwerfen und in die Stadt einzufallen; auf den Marktplatz, wo diejenigen waren, die er ducken, treffen und treten konnte. Und schärfer als damals noch grub sich ihm nun das Bild des Juden ein, des Sinay, wie er der Hübschen den Krug gereicht hatte. Meisterlich hatte der Heinrich den Stachel gesetzt, hatte den Sinay zuerst und zuletzt genannt in seiner gallig herausgespeichelten Predigt, hatte die Obsession dann tückisch bis zur unerhörten Blasphemie getrieben. Ein Szenario hatte er entworfen, das jeden Verklemmten, jeden Christen wie ein abscheuliches Krebsvieh direkt an den Hoden packen musste, im jahrtausendealten Unterschwelligen dazu, und nun wurde aus dem Zähneknirschen des Wittelsbachers der Aufschrei, der mörderische: „Kannst du das bei deinem Seelenheil beschwören, Heinrich, was du soeben gesagt hast?! Kannst du’s, damit die Saujuden ihre verdiente Strafe bekommen?!“
    „Gott ist mein Zeuge!“, erwiderte der Priester. „Der Sinay und die anderen sind schuldig! Auch etliche meiner Amtsbrüder wissen es, und mir selbst hat ein Weib in der Beichte gestanden, was es im satanisch-verzauberten Zustand mit dem Beschnittenen getrieben hat!“
    Der Beschnittene! Der nackte, obszöne Schweif! Und damit verbunden die unausrottbare, neidische

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