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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Schloss dann, rief er nach Wein und verkroch sich – soweit es ihm möglich war – in die Betäubung.
*
    Kriecherisch, buckelnd, seinen Triumph vorerst in seinem Herzen verschließend, verließ auch der Heinrich den Platz. Im Prälatenhof, nahe der Jakobskirche, verkroch er sich in seiner Studierstube; schmeckte dort jeden Hieb, den der Sinay – der Saujud’ – empfangen hatte, wie einen erlesenen Tropfen nachträglich noch einmal auf der katholischen Zunge ab. Oft schon hatte er im Beichtstuhl den Wittelsbacher gegen das Pack aufzustacheln versucht; nie bislang hatte er einen wirklich greifbaren Erfolg verbuchen können. Doch jetzt schien Gott – sein Götze in Wahrheit! – sich ihm auf einmal gnädig zeigen zu wollen; mit den blutigen Malen im Antlitz des Beschnittenen war dem Beichtiger des Herzogs unversehens der so lange gesuchte Weg gewiesen worden. Hinzu kamen die Anwürfe, die der Statthalter herausgebrüllt hatte; der eine vor allem, in dem von der Unflätigkeit die Rede gewesen war.
    Dieses Wort und dann dieses Bild formten sich nun immer greller aus in der verdorbenen und krankhaft judenhasserischen Fantasie des christlichen Priesters. Von dort aus wiederum trieb er in die tiefste Bösartigkeit seiner Religion hinunter – in den Pfuhl, aus dem seit vierzehnhundert Jahren schon das Blasphemische quoll.
    Die Evangelienlüge von der Schuld der Israeliten am Kreuzestod des Gottsohnes 73 war der eine schwarze Quell, aus dem wieder und wieder – mit jedem sogenannten Gottesdienst, mit jeder Schriftlesung seit beinahe eineinhalb Jahrtausenden – der Hass geronnen war. Der zweite schwarze Quell lag noch ungleich verborgener im Miasma; im tiefsten Unterbewusstsein fast eines jeden Christen oder Klerikers war er angesiedelt.
    Weil ihr Glaube die Erde zum Jammertal verzerrt hatte, in dem stets nur das Böse triumphierte; weil die Gläubigen das Irdische deswegen niemals wirklich annehmen konnten, sondern es stets ablehnen mussten, verabscheuten sie im geheimsten Inneren auch die entsprechende Lehre. Ihr eigener vermeintlicher Gott war es, der ihnen das Leben verwehren, der ihnen die Leiblichkeit, die unschuldige Lust und die ihnen unabänderlich eingewurzelten Triebe verächtlich machen wollte – und deswegen wehrte das Leben selbst in ihnen sich unbewusst gegen diese Religion. Immer nur unbewusst freilich, weil sie den christlichen Glauben und damit den Christus selbst bei Gefahr der ewigen Verdammnis und Höllenpein nicht ablehnen durften, obwohl sie ihn doch im allerinnersten Kern ihres Da-Seins hassen mussten. Und dies führte nun dazu, dass sie ein Ersatzobjekt für ihren Hass nötig hatten, einen Sündenbock. Anstelle des einen vergöttlichten Juden verfluchten und prügelten, folterten und mordeten sie die Juden – DEN JUDEN! – an sich.
    Dies war ihr Leiden, ihre ungeheuerliche Menschen- und Gotteslästerung von Säkulum zu Säkulum. Aus diesem schwarzen Quell und dazu dem anderen resultierte ihre unablässige Feindschaft gegenüber einem völlig und zutiefst unschuldigen Volk – und daraus stieg nun auch der bösartige und verächtliche Wahn auf, der den Beichtiger des Wittelsbachers immer mehr umkrallte, bis sich seine Obsessionen zusammenbündelten in einem Bild: Wie der Sinay mit der Bürgerstochter auf dem Markt nicht mehr bloß scherzte, sondern wie er über sie herfiel, wie er sie verschleppte, wie er sie in die Jakobskirche hineinzerrte, wie er sie ekelhaft schändete dort; er, der Saujud’, die Christin! Diese Zwangsvorstellung wurde dem Krankhaften, dem Priester im Verlauf etlicher bewusstseinsgespaltener Tage und vor allem Nächte zur vermeintlichen Wahrheit, zum Glaubensinhalt buchstäblich, und als sein Hass nun weiterwucherte – wieder ins Konkrete, in die reale Umsetzung des Schwarzfantastischen hinein – fand er auch den Weg, wie er durch die Rache an den Juden zur Rache an der eigenen Religion kommen konnte: Er brauchte dem Herzog bloß das Nötige einzuflüstern bei der nächsten Beichte! Vor Augen würde er ihm führen, wie der Sinay und die anderen Baalsdiener es mit den Christinnen trieben, schamlos und noch dazu vor dem Altar, und dann würde der Racheengel unwiderruflich niederfahren auf die belialische Brut, auf das höllenhündische Pack!
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    „Ego te absolvo!“ Der Kleriker murmelte die Formel, schlug dabei dreifach das Kreuzzeichen. Albrecht von Bayern-München nahm die Lossprechung von seinen Sünden mit gesenktem Haupt hin. Die Gebetsbuße, die der Heinrich ihm

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