Agrarwende jetzt
zukünftig nur noch Wasser, Rüben, Gras und Getreide, sonst nichts.« Im Gegensatz zu Kühen brauchen Politiker, die überleben wollen, etwas mehr, nämlich Zustimmung. Immerhin haben Künast und Schröder vor, die Agrarwende zum zentralen Thema bei den Bundestagswahlen 2002 zu machen. Dann wird sich zeigen, wie ernst Politiker und Wähler es mit Verbraucherschutz und Tierschutz meinen. Und ob Künast und Kuh weiterhin zusammenpassen.
Als ein Oppositionsabgeordneter im Bundestag Frau Künast beschimpfte: »Sie kennen doch gar keinen Stall von innen!«, gab sie zurück: »Können Sie mir erklären, warum all diejenigen, die Ställe von innen kennen, nicht das Entstehen des BSE-Problems verhindert haben?«
Sie beweist ein anderes politisches Stehvermögen als die meisten Politmänner, wenn sie sagt: »Ich habe Mut zum Träumen, also habe ich auch Kraft zum Kämpfen.« Ökolandbau statt Massenproduktion - das ist ihr Weg. »Dafür werde ich kämpfen. Und zwar bis zum Letzten.« Und sie weiß auch ganz realistisch: »Ich renne durch ein Minenfeld.« Sicher scheint mir: Auch eine mutige und kämpferische Renate Künast kann nichts verändern ohne den wirklichen Veränderungswillen von Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern. BSE-Betroffenheit wird nicht reichen.
Bauernpräsident Sonnleitner spreizt sich schon wenige Monate nach dem BSE-Skandal gegen die Agrarwende und gegen den ganzen Umwelt-Brimborium. Von Stall bis zum Teller sei doch alles in Butter, kräht Deutschlands oberster Agrarhahn auf dem Bauerntag 2001. Und die Unionsparteien, die vor kurzem noch die Agrarwende anmahnten, üben schon wieder wahltaktisch Schulterschluss mit den vorgestrigen Bauernverbandsfunktionären. Tierschutz? Verbraucherschutz? Bodenschutz? Trinkwasserschutz?
Keine Themen für Angela Merkel, die antrat, um die CDU »programmatisch zu erneuern«. Eher werden sich die »christlichen« Parteien mit dem »hohen C« mit den Massentierhaltern, der Tiermehllobby und den Eierbaronen verbünden als für die »Bewahrung der Schöpfung« zu kämpfen.
Was also können wir tun?
Zwischen 1968 und 1989 mag eine Demonstration ein effektives Protest- und Veränderungsmittel gewesen sein, effektiver ist heute der Protest über Geld. Darauf reagieren die Konzerne am schnellsten. Der Benzinboykott der deutschen Autofahrer gegen Shell wegen Brent Spar hat dazu geführt, dass ein Shell-Vorstand in »Grenzenlos« verkündete: »Aus unserem Ölkonzern wird ein Solarkonzern.« Auch einige Bosse erkennen, wohin sich das Geld der Verbraucher künftig bewegen wird - Richtung Sonnenenergie und Richtung Biolebensmittel.
10. Die komplette Agrarwende bis 2030
Wenn die Agrarwende insgesamt gelingen soll, das heißt, wenn der ökologische Landbau der konventionellen Landwirtschaft nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch betriebswirtschaftlich überlegen werden will, dann müssen jetzt rasch drei Wege beschritten werden:
1. Umfangreiche Forschungsvorhaben zur Produktion und Saatzucht, zum technischen Naturschutz, zur technischen Infrastruktur, zur Gestaltung von Arbeitsprozessen und zur Strukturierung von Landwirtschaftsbetrieben für den ökologischen Landbau müssen stattfinden.
2. Die agrarwissenschaftlichen Fachbereiche der Universitäten müssen sich durch Berufung junger Professoren neu orientieren.
3. Vollstudiengänge für ökologischen Landbau müssen angeboten werden.
Nur durch diese wissenschaftliche Neustrukturierung wird sich der Widerstand der Chemie- und Saatzuchtindustrie brechen lassen. Die Naturforschung beginnt gerade erst, sich an »Nachhaltigkeit« zu orientieren. Das wird häufig nur über eine Generationenablösung des Managements möglich sein - auch in den Landwirtschaftsministerien, in den Landwirtschaftskammern und im Ernährungsgewerbe. Für gentechnisch manipulierte Produkte sollte eine Risikosteuer eingeführt werden.
Käfigeier sollten mit einem entsprechenden Aufdruck versehen werden und Hähnchen aus Intensivhaltung ebenfalls. Wenn auf dem Erdbeerjogurt die realistische Aufschrift »Erdbeergeschmack aus Sägemehl« zu lesen wäre, würden die Aromapanscher bald ihren Job verlieren und Ökobauern mehr Arbeit haben.
Falls diese neue Politik durchgesetzt wird, kann die gesellschaftliche Zustimmung zur ökologischen Landbauwende wachsen. Dann wird Folgendes passieren:
• Die Landwirtschaft wird umstellen wollen.
• Das Tempo der Umstellung wird zunehmen.
• Die Chemieindustrie wird mit Biobauern kooperieren.
• Das
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