Agrippina - Kaiserin von Rom
sich der Kutscher, das Rad zu reparieren und die Ladung wieder aufzustapeln.
»Wir kommen zu spät«, murrte der schöne junge Mann, »und das gefällt mir nicht. Ich bin immer pünktlich.«
Kurz hinter der Via Ostiensis waren sie eilig links abgebogen, hatten eines der Lagerhäuser betreten und waren einige Stufen in einen Kellerraum herabgestiegen.
Verwundert sah Valerius sich um. Unwillig sog er die modrige Luft ein, die ihm aus den Kellergewölben entgegenkam.
»Ihr scheut das Licht der Öffentlichkeit? Das sieht hier mehr wie der Ort einer konspirativen Versammlung aus als nach dem Gebetshaus einer frommen Gemeinde.«
»Pscht!« Horatius flüsterte und legte die Finger auf die Lippen.
»Ich erkläre es dir später. Die Versammlung hat schon begonnen.«
»... enthaltet euch aller fleischlichen Gelüste, welche wider die
Seele streiten. Führet einen guten Wandel unter den Heiden
dieser gottlosen Stadt, auf dass die, die euch schmähen, eure
guten Werke erkennen und Gott preisen. Seid untertan der
menschlichen Ordnung um des Herrn willen. Tut Ehre jedermann,
liebt eure Brüder, fürchtet Gott und ehret den König.
Denn das ist Gnade, so jemand um des Gewissens willen zu Gott
das Übel erträgt und das Unrecht erleidet. Seht, Brüder und
Schwestern, es werden kommen Tage der Drangsal und Mühe,
wie es unser Herr und Gott verkündet hat, und so sage ich euch:
Seid stark in der Gefahr, mutig in der Verzweiflung, gläubig in
der Not. Wenn unser Herr Jesus Christus alle Kreuzesnot tapfer
ertragen hat, wollen wir da angesichts kommender Gefahren
zagen?«
» Wer ist dieser alte Mann, der so kraftvoll zu sprechen vermag?«, flüsterte Valerius und deutete auf den Sprecher, einen Mann von stattlichem Körperbau. Haare und Bart waren silbergrau durchzogen, und der nach vorne gebeugte Körper verriet schon die Last des Alters. Dennoch war Valerius von dem Mann sehr beeindruckt.
»Das ist Simon Petrus, der Führer unserer Gemeinde.«
» Petrus – Fels, was für ein merkwürdiger Name!«
»Eigentlich hieß er Simon, aber der Herr hat ihm den hebräischen Namen Kephas gegeben, was in unserer Sprache Petrus heißt. Niemand kannte den Herrn besser als er, jahrelang ist er mit dem Gesalbten, wie wir ihn auch nennen, durch Judäa und Galiläa gezogen. Er stand ihm sehr nah. Nun ist es seine Aufgabe, die Worte des Meisters in aller Welt zu verbreiten, auch hier in Rom, der Hauptstadt der Heiden, wie wir sagen.«
»Und wer ist der junge Mann, der neben ihm steht und jedes Wort mitzuschreiben scheint?«
»Das ist Marcus, ein junger Grieche. Er dient ihm als Schreiber und Dolmetscher. Simon Petrus beherrscht das Griechische nicht und unsere Sprache nur recht unvollkommen, wie du hörst.«
In der Tat sprach der Mann mit einem starken Akzent und in für römische Ohren ungewohnter Diktion.
»Pscht, tacete !« Einer der Zuhörer hatte sich unwillig umgedreht und nachdrücklich zum Schweigen aufgefordert. Und schon setzte Petrus seine Ansprache fort:
»Ich habe euch versprochen, dass ich auch heute wieder von den
Ereignissen berichten werde, die ich selbst in jenen Tagen erlebt
habe, als ich die Gnade hatte, unseren großen Herrn begleiten zu
dürfen. So hört denn:
Einst kehrten wir in einen kleinen Ort ein, wo wir freundlich
aufgenommen wurden. Viele aber versammelten sich um uns und
bedrängten den Meister mit Fragen. So fragte einer von ihnen,
seines Zeichens ein Sadduzäer: ›Rabbi, sag uns, wann wird
kommen die Zeit, in der wir von aller Mühe befreit werden, und
welches Zeichen wird uns sein?‹ Darauf antwortete der Herr:
›Sehet zu und lasset euch nicht verführen. Denn viele werden
kommen in meinem Namen und sagen, ich sei es. Folget ihnen
also nicht nach! Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und
Empörungen, so entsetzt euch nicht. Denn solches muss zuvor
geschehen, aber das Ende ist noch nicht da. Ein Volk wird sich
erheben wider das andere und ein Reich wider das andere, und es
werden geschehen große Erdbeben und Krankheiten; auch werden
Schrecknisse und große Zeichen vom Himmel geschehen.
Aber vor diesem werden sie Hand an euch legen und euch
verfolgen und euch überantworten in ihre Gefängnisse. Man wird
euch vor Fürsten und Könige ziehen um meines Namens willen.
Aber seid ohne Sorge, was ihr antworten werdet, denn ich will
euch Mut und Weisheit geben. Eltern und Brüder, Freunde und
Kinder werden euch hassen und euch zu töten versuchen, und ihr
werdet
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